Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemischte Bar- und Sachkapitalerhöhung; Freigabeverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Es spricht viel dafür, auch im Falle einer einheitlichen gemischten Bar- und Sachkapitalerhöhung die Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses gem. § 155 Abs. 2 AktG analog zu gestatten, wenn eine Überbewertung der Sacheinlage geltend gemacht wird, insb. dann, wenn der Erwerb der Sacheinlage vom Mehrheitsaktionär erfolgen soll.
2. Die aktienrechtliche Differenzhaftung erfasst den vollen Gegenwert der dafür ausgegebenen Aktien.
3. Ist die Klage gegen einen Kapitalerhöhungsbeschluss, mit dem die Überbewertung der Sacheinlage gerügt wird, nicht offensichtlich unbegründet, dann kann dennoch im Freigabeverfahren gem. §§ 255 Abs. 3, 246a AktG an der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister ggü. dem Aufschubinteresse der Kläger überwiegen, wenn der Erfolg der Hauptsacheklage zweifelhaft ist; bei der Abwägung ist weiterhin zu berücksichtigen, ob im Falle einer erfolgreichen Anfechtung die Durchsetzung einiger möglichen Differenzhaftung realistisch ist.
Normenkette
AktG §§ 107, 124, 155, 243, 246a, 255
Verfahrensgang
LG Gera (Beschluss vom 21.08.2006; Aktenzeichen 3 HKO 110/06) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der vorgenannten Beschwerdeführer gegen den Beschluss des LG Gera vom 21.8.2006 - 3 HK O 110/06 - werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragstellerin tragen die Beschwerdeführer. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Gründe
A.I. Die Antragstellerin ist eine börsennotierte AG mit Sitz in Jena und Muttergesellschaft des C. Z. M.-Konzerns, bei dem zum 31.3.2006 weltweit 1.264 Mitarbeiter beschäftigt waren und der zu den führenden Anbietern von medizintechnischen Geräten und Systemen der Augenheilkunde zählt. Hauptaktionäre der Antragstellerin sind zu 52,6 % die C. Z. AG mit Sitz in O. (die ihrerseits zu 100 % im Eigentum der C. Z. Stiftung steht) und zu 12,4 % die C. Z. Inc. mit Sitz in Th., USA (die zu 100 % der C. Z. AG gehört); insgesamt halten die Mutter- und Schwestergesellschaft der Antragstellerin 65 % der Aktien. Die restlichen 35 % befinden sich in Streubesitz.
Die Medizintechnik der C. Z.-Gruppe ist bislang nicht ausschließlich im C.-Z. M.-Konzern konzentriert. Vielmehr wurde der frühere Geschäftsbereich "Chirurgische Geräte" der C. Z. AG zum 1.3.2005 auf die C. Z. S. GmbH ausgegliedert, deren Alleingesellschafterin die C. Z. AG ist. Die C. Z. S. GmbH wiederum gründete im August 2005 die C. Z. M. S. GmbH. Die Produkte der C. Z. S. GmbH werden in den USA durch die C. Z. S., Inc. vertrieben, die eine alleinige Tochtergesellschaft der C. Z., Inc. und damit eine 100 %ige Enkelgesellschaft der C. Z. AG ist. Um künftig alle medizintechnischen Aktivitäten der C. Z. Gruppe im C. Z. M.-Konzern zu bündeln, ist eine konzerninterne Umstrukturierung beabsichtigt, die in der Weise erfolgen soll, dass die C. Z. S. GmbH und die C. Z. S., Inc. von der Antragstellerin im Wege einer Sachkapitalerhöhung übernommen werden. Dabei soll aber der Streubesitzanteil weiterhin bei 35 % liegen.
Zur Erreichung dieses Ziels sollte die ordentliche Hauptversammlung der Antragstellerin am 10.3.2006 einer gemischten Bar- und Sachkapitalerhöhung zustimmen, wobei die auf die Barkomponente der Kapitalerhöhung entfallenden Aktien für den Börsenhandel zugelassen werden sollten. Die Einladung zur Hauptversammlung wurde mit der Einberufungsbekanntmachung am 11.1.2006 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Nach dem Vortrag der Antragstellerin hat über die Beschlussvorschläge zur Hauptversammlung der Präsidial- und Personalausschuss des Aufsichtsrats am 9.1.2006 einstimmig im Wege der schriftlichen Beschlussfassung beschlossen, nachdem der Aufsichtsrat auf seiner Sitzung am 14.12.2006 seine Zustimmungskompetenz auf den Ausschuss übertragen habe.
Der zu TOP 7 gefällte Beschluss der Hauptversammlung vom 10.3.2006 lautet:
"Das Grundkapital der Gesellschaft von derzeit 32.523.844 EUR wird um 48.785.766 EUR auf 81.309.610 EUR durch Ausgabe von 48.785.766 neuen, auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem jeweiligen Betrag am Grundkapital von 1 EUR gegen Sach- und gegen Bareinlagen erhöht.
Die neuen Aktien sind gewinnanteilberechtigt für alle Geschäftsjahre, für die die Hauptversammlung der Gesellschaft noch keinen Gewinnverwendungsbeschluss gefasst hat.
Die neuen Aktien werden teils gegen Sacheinlage und teils gegen Bareinzahlung mit einem Bezugsverhältnis von 2 zu 3 zu einem Bezugspreis von 10,10 EUR wie folgt ausgegeben:
a) Die Aktionärin C. Z. AG, O., bezieht durch Ausübung von 16.950.692 der auf sie entfallenden Bezugsrechte 25.426.038 neue, auf den Inhaber lautende Stückaktien gegen Leistung einer Sacheinlage. Die Sacheinlage besteht aus der Beteiligung der C. Z. AG (einem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 3.975.000 EUR und einem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 25.000 EUR) an der im Handelsregister des AG Aalen unter der Nummer ...