Verfahrensgang
AG Weimar (Aktenzeichen 9 F 148/21) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Freistaates T. vom 12.4.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Weimar vom 9.4.2021, 9 F 148/21, aufgehoben.
2. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist unzulässig. Das Verfahren wird eingestellt.
3. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die beteiligten Kinder gehen in W. zur Schule. Mit Schreiben vom 13.3.2021 hat ihre Mutter beim Familiengericht angeregt, von Amts wegen zu ihrem Schutz ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung einzuleiten. Sie und auch der Kindesvater, der den Antrag mitunterzeichnet hat, vertreten die Ansicht, zur Zeit sei das körperliche, seelische und geistige Wohl der Kinder und aller weiteren Kinder, die die gleichen Schulen wie ihre Söhne besuchen, aufgrund der Anordnungen zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes und zur Wahrung räumlicher Distanz gefährdet. Deshalb haben sie eine Rechtmäßigkeitsüberprüfung der diesen Anordnungen zugrundeliegenden Vorschriften, insbesondere der Dritten Verordnung über außerordentliche Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2, gültig ab 15.12.2020, zuletzt geändert am 12.3.2021, angeregt.
Das Familiengericht hat daraufhin ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren parallel zu dem unter dem Az. 9 F 147/21 anhängigen Hauptsacheverfahren eingeleitet, einen Verfahrensbeistand bestellt und den Freistaat mit Verfügung vom 16.3.2021 gebeten, binnen 2 Wochen unter Beachtung rechtlicher Hinweise aus dem Hauptsacheverfahren, zum Antrag Stellung zu nehmen. Den Antrag des Freistaates vom 31.3.2021 auf Fristverlängerung bis zum 13.4.2021 hat es nicht beschieden. Mit am 8.4.2021 beim Familiengericht eingegangenem Schreiben hat der Freistaat die Zuständigkeit des Familiengerichts in dieser Sache gerügt sowie darauf hingewiesen, dass die Eltern - wie bereits parallel erfolgt - ihre Rechte nur bei dem zuständigen Verwaltungsgericht wahrnehmen können.
Das Familiengericht hat im Wege der einstweiligen Anordnung den Lehrern, den Schulleitungen sowie deren Vorgesetzten untersagt, das Maskentragen, die Einhaltung von Mindestabständen und die Teilnahme an Schnelltests zur Feststellung des Virus SARS-CoV-2 anzuordnen oder vorzuschreiben. Weiter gebot es den Leitungen und den Lehrern der von den beteiligten Kindern besuchten Schulen, den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten. In den Gründen seiner Entscheidung führte es aus, der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei nach § 13 GVG eröffnet, die sachliche Zuständigkeit des Familiengerichts ergebe sich aus § 23 b GVG. Zu den Familiensachen nach § 111 Nr. 2 FamFG gehörten auch die Kindschaftssachen, unter anderem die elterliche Sorge gem. § 151 Nr. 1 FamFG. Zur elterlichen Sorge wiederum gehöre die Regelung des § 1666 BGB, nach deren Abs. 4 könne auch in Angelegenheiten der Personensorge eine Maßnahme gegen einen Dritten getroffen werden. Der Weg zu den Verwaltungsgerichten gem. § 40 VwGO sei dagegen nicht eröffnet, da Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung bundesgesetzlich ausdrücklich dem Familiengericht zugewiesen seien (§ 40 Abs. 1 S.1 VwGO i.V.m. § 1666 BGB). Im Übrigen sei der Kinderschutz im deutschen Recht mehrgleisig ausgestaltet, nur bei Verfahren nach § 1666 BGB vor dem Familiengericht gelte aber der Amtsermittlungsgrundsatz, wonach aus Gründen des Kindeswohls auf Anregung einer beliebigen Person oder auch ohne eine solche ein Einschreiten des Familiengerichts möglich sei. Voraussetzung sei nur eine gegenwärtige und in einem solchen Maß vorhandene Gefahr für das geistige, körperliche oder seelische Wohl des Kindes, dass sich bei der weiteren Entwicklung ohne Intervention eine erhebliche Schädigung mit ziemIicher Sicherheit voraussehen lasse. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft sei durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung eine solche Gefährdung zumindest naheliegend, so dass das Verfahrens gem. § 1666 BGB einzuleiten gewesen sei, um diese Frage einer Prüfung zuzuführen. Diese Norm gelte für alle Kinder, daher dürften diejenigen Kinder nicht benachteiligt werden, deren Eltern keine entsprechende Prüfung anstrengten. Verfassungsrechtlich (Art. 3, 6 GG) sei es auch nicht hinnehmbar, wenn manche Kinder darauf hoffen könnten, dass für sie bei einem geeignet erscheinenden Gericht ein Antrag gestellt wird, andere aber nicht. Es entspreche herrschender Auffassung, dass Eltern nicht gezwungen werden könnten, vorab den Zivilrechtsweg zu beschreiten. Auch seien sie nicht gezwungen, gegen die der Anordnung zugrundeliegende Verordnung auf dem Verwaltungsrechtsweg vorzugehen bzw. ein Normenkontrollverfahren anzustreben. Im Weiteren begründete das Familiengericht seine Entscheidung mi...