Verfahrensgang

LG Mühlhausen (Beschluss vom 05.07.2000; Aktenzeichen 1 T 102/00)

 

Tenor

Der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 05.07.2000 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Mit Beschluss vom 05.05.2000 bestellte das Amtsgericht für den Betroffenen Frau Kerstin G. zur ehrenamtliche Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, das Vermögen, Post- und Schriftverkehr sowie Behördenangelegenheiten. Dem Vorschlag des Betroffenen, die Berufsbetreuerin Hiltrud Sch. zu bestellen, ist das Amtsgericht mit der Begründung nicht gefolgt, die anfallenden Betreuungsangelegenheiten könnten durch einen ehrenamtlichen Betreuer in ausreichendem Maße erledigt werden.

Auf die auf die Auswahl des Betreuers beschränkte Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zunächst mit Beschluss vom 29.06.2000 (Bl. 36, 37 d.A.) die Anhörung des Betroffenen durch einen beauftragten Richter angeordnet. Diese Anhörung fand am 05.07.2000 statt; auf den Inhalt des Protokolls (Bl. 39 und 40 d.A.) nimmt der Senat Bezug. Das Landgericht hat sodann mit der angefochtenen Entscheidung vom 05.07.2000 den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und an Stelle der ehrenamtlichen Betreuerin Kerstin G. die Berufsbetreuerin Hiltrud Sch. bestellt. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, im vorliegenden Fall seien die vom Amtsgericht bestellte ehrenamtliche Betreuerin und die vom Betroffenen vorgeschlagene Berufsbetreuerin in gleicher Weise geeignet, die Betreueraufgaben in den vom Amtsgericht vorgegebenen Aufgabenkreisen zu erfüllen. In einem solchen Fall gebe nach § 1897 Abs. 4 BGB der Wille des Betroffenen den Ausschlag. Seinen Willen habe der Betroffene in der Anhörung vor dem beauftragten Richter der Kammer auch klar äußern können. Wegen der bereits bestehenden persönlichen Kontakte sei er auch für die Kammer nachvollziehbar.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Betreuungsbehörde, die insbesondere geltend macht, das Landgericht habe die Bestimmungen der §§ 1897 Abs. 6, 1908 b Abs. 1 S. 2 BGB nicht berücksichtigt. Daraus ergebe sich der vom Gesetzgeber gewollte grundsätzliche Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung vor der Berufsbetreuung und zwar unabhängig von den Wünschen des Betroffenen. Im Übrigen entspreche die Entscheidung auch nicht dem Wohl des Betroffenen, weil die Gefahr bestehe, dass er durch die Vergütungsansprüche des Berufsbetreuers – und sei es im Wege des Regresses der Staatskasse nach den §§ 1908 i, 1836 e BGB finanziellen Belastungen ausgesetzt werde.

Der Betroffene und die weiteren am Verfahren Beteiligten verteidigen die angefochtene Entscheidung des Landgerichts. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens nimmt der Senat Bezug auf die eingereichten Schriftsätze.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde der Betreuungsbehörde ist nach den §§ 27, 29 FGG an sich statthaft und auch sonst zulässig. Die Betreuungsbehörde ist nach den §§ 69 g Abs. 1 S. 1, 29 Abs. 4 FGG beschwerdeberechtigt. In der Sache hat die weitere Beschwerde vorläufig Erfolg; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, weil seine Entscheidung auf Gesetzesverletzungen beruht (§§ 27 FGG, 550 ZPO).

1. Nach den §§ 69 g Abs. 5 S. 1, 68 Abs. 1 S. 1 FGG hat in Betreuungssachen auch das Beschwerdegericht den Betroffenen persönlich anzuhören und sich von ihm einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Diese Anhörung hat im Regelfall vor der vollbesetzten Kammer des Beschwerdegerichts zu erfolgen, § 30 Abs. 1 FGG (vgl. Senatsbeschluss vom 15.06.2000, 6 W 360/00; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Auflage, § 69 g Rn. 13). Allerdings erlaubt es – als Ausnahmefall – § 69 g Abs. 5 S. 2 FGG, die Anhörung einem Kammermitglied als beauftragtem Richter anzuvertrauen, wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Beschwerdegericht das Ergebnis der Ermittlungen ohne eigenen Eindruck von dem Betroffenen zu würdigen vermag. Macht das Beschwerdegericht von dieser Möglichkeit Gebrauch, müssen die Gründe hierfür – entweder in der Übertragungsentscheidung selbst oder aber in der Beschwerdeentscheidung – angegeben werden, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob sich das Beschwerdegerichts des Ausnahmecharakters der Übertragung der Anhörung auf den beauftragten Richter bewusst war, und ob es seine Ermessensentscheidung – bezogen auf die Umstände des konkreten Einzelfalls – ohne Rechtsfehler getroffen hat (vgl. Senatbeschluss vom 15.06.2000, a.a.O.; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 118, 119; Bumiller/Winkler, FGG, 7. Auflage, § 69 g Rn. 6; a.A. Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O.). An einer solchen Begründung fehlt es sowohl in dem Beschluss vom 29.06.2000 als auch in der Beschwerdeentscheidung. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die angefochtene Entscheidung des Landgerichts auf dieser Gesetzesverletzung beruht.

2. In der Sache selbst beruht d...

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