Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Frist für die Vaterschaftsanfechtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kenntnis i.S.d. § 1600b Abs. 1 S. 2 BGB erfordert eine objektive Kenntnis von den für die Nichtvaterschaft sprechenden Umständen sowie eine daraus zu gewinnende mögliche Überzeugung von der Nichtvaterschaft.

2. Ein ohne Zustimmung des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters eingeholtes privates DNA-Vaterschaftsgutachten darf nicht im Ver-fahren der Vaterschaftsanfechtung verwertet werden. Es ist nicht geeignet, Zweifel an der Vaterschaft i S des § 1600b BGB zu begründen.

 

Normenkette

BGB §§ 1600, 1600b Abs. 1 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

AG Jena (Beschluss vom 07.10.2011; Aktenzeichen 47 F 471/11)

 

Tenor

1. Der Beschluss des AG - Familiengericht - Jena vom 7.10.2011 wird abgeändert.

Dem Antragsteller wird für die Rechtsverfolgung vor dem AG ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B., E., zu den Bedingungen eines am Ort des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts bewilligt.

2. Eine Kostenentscheidung sowie die Festsetzung des Beschwerdewertes sind im Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe nicht veranlasst.

 

Gründe

Der Antragsteller hat vor dem AG mit Antrag vom 14.6.2011, eingegangen am 16.6.2011, beantragt, festzustellen, dass die Antragsgegnerin, geboren am 25.6.1991, nicht seine Tochter ist.

Der Antragsteller hat durch Urkunde die Vaterschaft für die Antragsgegnerin anerkannt. Der Antragsgegner war mit der Kindesmutter nicht verheiratet; es wurden keine übereinstimmenden Sorgeerklärungen i.S.v. § 1626a Abs. 1 BGB abgegeben.

Der Antragsteller hat vorgetragen, er habe in der Empfängniszeit vom 29.08. bis zum 26.12.1990 der Mutter des Kindes - Frau K. U., wohnhaft S. - zwar beigewohnt. Jedoch sei es nach den inzwischen bekannt gewordenen Umständen unmöglich, dass er der Vater der Antragsgegnerin sein könne, weil das im Verfahren vor dem AG Jena zum dortigen Az. 44 F 209/08 eingeholte Gutachten den Antragsteller ausdrücklich und eindeutig als leiblichen Vater ausschließe.

Die zweijährige Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB sei eingehalten, da der Antragsteller somit erst seit dem 17.6.2009 von dem zur Anfechtung berechtigenden Sachverhalt Kenntnis erhalten habe, abgestellt auf die Kenntnis der Bevollmächtigten.

Rechtsklarheit und Rechtssicherheit erforderten die Feststellung der Nichtvaterschaft des Antragstellers.

Der Antragsteller hat bei seiner Anhörung am 15.9.2011 vor dem AG erklärt, die Kindesmutter habe angegeben, dass er der Vater von N. sei. Nachdem sich die Mutter von N. von ihm getrennt habe, habe er Zweifel an der Vaterschaft bekommen. Er habe versucht, das außergerichtlich zu klären; das sei etwa im Jahre 2000 gewesen. Bereits damals sei außergerichtlich herausgekommen, dass er nicht der Vater von N. sei. Danach habe er beim AG Jena Anfechtungsklage erhoben. Im Zuge der Trennung habe er gehört, dass da eventuell noch ein anderer Mann im Spiel gewesen sein könnte. Deshalb habe er das damals überprüfen lassen.

Das Anfechtungsverfahren vor dem AG Jena sei im Jahre 2004 geführt worden. Damals sei die Prozesskostenhilfe zurückgewiesen worden, da nach Auffassung des zuständigen Gerichts die Anfechtungsfrist bereits abgelaufen war.

Der Antragsteller hat beantragt,

1. festzustellen, dass der Antragsteller nicht der leibliche Vater der Antragsgegnerin, Frau N. R., geboren am 25.6.1991, sei,

2. ihm Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverfolgung vor dem AG zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.

Die Antragsgegnerin hat erklärt, sie wisse, dass sie nicht die leibliche Tochter des Antragsgegners sei. Anfechtungsklage habe sie aber binnen der Zwei-Jahresfrist nicht erhoben.

Das AG Jena hat den Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 29.9.2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Antragsteller sei anfechtungsberechtigt gem. § 1600 BGB. Die Anfechtung sei jedoch nur innerhalb der von Amts wegen zu beachtenden Ausschlussfrist des § 1600b BGB möglich. Bei Versäumung erlösche das Anfechtungsrecht, und zwar auch dann, wenn außergerichtlich feststehe, dass das Kind nicht von dem als Vater geltenden Mann abstamme.

Vorliegend sei die Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB verstrichen, da beim Antragsteller nach eigenen Angaben bereits im Jahr 2000 ernsthafte Zweifel an der Vaterschaft der Antragsgegnerin erweckt worden seien. Er habe daraufhin sogar eine Anfechtungsklage erhoben. Bereits in diesem Verfahren sei der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wegen Versäumung der Anfechtungsfrist zurückgewiesen worden.

Auch in dem Verfahren Az. 47 F 209/08, in dem es um den Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin ging, habe der Antragsteller Zweifel an seiner Vaterschaft geäußert. Im Termin vom 12.3.2009 hätten die Beteiligten daher vereinbart, ein Abstammungsgutachten einzuholen. Nach dem Ergebnis dieses Gutachtens sei der Antragsteller zwar der rechtliche, nicht aber der leibliche Vater der Antragsgegnerin. Die Anfechtungsfrist sei nach Auffassung des Gerichtes...

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