Entscheidungsstichwort (Thema)
Gutgläubiger Erwerb von Grundstücksrechten bei Divergenz von Grundbuch und Gebäudegrundbuch in den Neuen Bundesländern nach dem Sechsten Teil des Einführungsgesetzes zum BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Nicht jede Unrichtigkeit des Grundbuchs berechtigt zur Eintragung eines Widerspruchs, der nur dazu dient, einen Rechtsverlust durch gutgläubigen Erwerb zu verhindern. Ist ein solcher Erwerb aus Rechtsgründen nicht denkbar, so fehlt dem Widerspruch das Rechtsschutzinteresse (Anschluss an OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.4.1997 - 4 U 261/96).
2. Ist ein Grundstücksrecht nur im Grundbuch, nicht aber im Gebäudegrundbuch eingetragen, so ist das Grundbuch unrichtig; denn das Grundstücksrecht erfasst auch das seperate Eigentum am Gebäude.
3. Im Anwendungsfall des Art. 233 § 2c Abs. 3 EGBGB ist trotz der Unrichtigkeit des Gebäudegrundbuchs ein Rechtsverlust des Gläubigers durch gutgläubigen Erwerb ausgeschlossen.
Normenkette
BGB §§ 894, 899; EGBGB Art. 231 § 5 Abs. 3-4, Art. 233 § 2c
Verfahrensgang
LG Gera (Urteil vom 21.06.2012; Aktenzeichen 4 O 295/12) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des LG Gera vom 21.6.2012 - 4 O 295/12, abgeändert:
Die einstweilige Verfügung des LG Gera vom 19.3.2012 wird aufgehoben.
Der Antrag der Verfügungsklägerin vom 16.3.2012 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 2 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung des Verfügungsbeklagten# (im Weiteren Beklagten) ist begründet und führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils sowie zur Zurückweisung des Antrages auf Erlass der einstweiligen Verfügung.
Zwar hat die Verfügungsklägerin (im Weiteren Klägerin) einen Verfügungsanspruch gem. §§ 899,894 BGB glaubhaft gemacht.
Der Umstand, dass die streitgegenständliche Grundschuld zugunsten der Klägerin nicht im Gebäudegrundbuch Bl. 2 ... eingetragen ist, begründet eine Unrichtigkeit des Grundbuchs. Die Grundschuld der Klägerin erfasst nämlich auch das seperate Gebäudeeigentum der Beklagten (vgl. OLG Jena, Urt. v. 16.11.2010 - 5 U 344/10; BGH, Beschl. v. 15.11.2011 - V ZR 246/10).
Die Klägerin kann sich insoweit auf die Bestimmung des Art. 231 § 5 Abs. 3 und 4 EGBGB berufenen. Gemäß Art. 231 § 5 Abs. 3 EGBGB erlischt das Gebäudeeigentum (i.S.d. Abs. 1 und 2 dieser Vorschrift), wenn nach dem 31.12.2000 das Eigentum am Grundstück übertragen wird, es sei denn, dass das Nutzungsrecht oder das selbständige Gebäudeeigentum nach Art. 233 § 2b Abs. 2 S. 3 EGBGB im Grundbuch des veräußerten Grundstücks eingetragen ist oder dem Erwerber das nicht eingetragene Recht bekannt war. Mit dem Erlöschen des Gebäudeeigentum wird das Gebäude gem. §§ 94, 93 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Dies gilt gem. Art. 231 § 5 Abs. 4 EGBGB entsprechend für dingliche Belastungen.
Unstreitig war das selbständige Gebäudeeigentum zum Zeitpunkt des Erwerbs der Grundschuld durch Abtretung am 20.6.2004 nicht eingetragen. Die Eintragung erfolgt erst am 7.9.2005 in Abteilung 2.
Das OLG Jena (a.a.O.) führt weiter in seiner Entscheidung aus, dass eine positive Kenntnis der Klägerin von dem nicht eingetragenen Recht bei Erwerb der Grundschuld nicht vorgelegen habe.
Ein Anspruch der Klägerin ist somit glaubhaft gemacht. Soweit die Beklagten behauptet, dass sich die positive Kenntnis der Klägerin in einem Verfahren vor dem LG Gera zeigen werde, so ist der Vortrag hierzu unzureichend. Die Beklagte ist für die positive Kenntnis darlegungs- und beweispflichtig.
Der Verfügungsgrund wird gem. § 899 Abs. 2 S. 2 BGB vermutet.
Trotz der Unrichtigkeit Grundbuchs sind aber die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Eintragung eines Widerspruchs ins Grundbuch im Wege der einstweiligen Verfügung nach § 899 BGB gleichwohl nicht gegeben.
Denn es mangelt an einem Rechtsschutzinteresse der Klägerin.
Dieses fehlt objektiv sinnlosen Klagen, d.h. wenn der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann (Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., vor § 253 Rz. 18).
Es ist anerkannten Rechts, dass der Rahmen, den das Gesetz in § 899 Abs. 1 BGB durch den Verweis auf § 894 BGB gesteckt hat, zu weit gefasst ist. Nicht jede Unrichtigkeit des Grundbuchs berechtigt zur Eintragung eines Widerspruchs nach § 899 BGB. Denn die Eintragung des Widerspruchs hat im Wesentlichen nur die Aufgabe, einen Rechtsverlust durch gutgläubigen Erwerb zu verhindern. Deshalb ist die Anwendung des § 899 BGB dort sinnwidrig, wo die Gefahr eines derartigen Rechtsverlust nicht besteht (OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.4.1997 - 4 U 261/96, zitiert nach juris; Staudinger/Gursky, BGB 2008, § 899 Rz. 34).
Diese Gefahr besteht hier nicht. Der Senat ist mit dem LG Gera (Beschluss vom 15.7.2009, Anlage B1 Bl. 157 d.A.) der Auffassung, dass diese Gefahr aufgrund des Art. 233 § 2c Abs. 3 EGBGB nicht gegeben ist.
Diese Regelung verweist hinsichtlich ...