Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Haftung einer Gemeinde wegen eines schadhaften Zaunes eines Bolzplatzes
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verkehrssicherungspflicht einer Gemeinde für ihren Bolzplatz bestimmt sich nach Privatrecht, also nach § 823 BGB; sie gehört nicht zu der der Polizei nach § 2 Abs. 1 Satz 1 (Thür.) PAG obliegenden Aufgabe, die allgemein oder im Einzelfall bestehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Eine Gemeinde haftet daher bei Verletzung dieser Pflicht nicht nach Amtshaftungsgrundsätzen, sondern privatrechtlich, auch wenn der Bolzplatz zur öffentlichen Benutzung frei gegeben ist.
2. Als Grundstückseigentümerin und Betreiberin des Bolzplatzes hat die Gemeinde für den - soweit wie möglich gefahrlosen - Zustand einer Sportanlage (hier Bolzplatz) einzustehen; der Bolzplatz muss sich - wie jede andere Sportanlage auch - in einem technisch einwandfreien Zustand befinden, um dem Benutzer einen möglichst hohen Sicherheitsstandard zu bieten. Das gilt dann auch für Zusatzeinrichtungen wie eine Zaunanlage, die den gleichen Anforderungen an die Verkehrssicherheit unterliegt wie die Hauptanlage selbst.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Gera (Urteil vom 10.06.2009; Aktenzeichen 3 O 701/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Gera vom 10.6.2009 - 3 O 701/07 - wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.000 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.4.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits (beider Instanzen) übernehmen der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der - am 28.7.1984 geborene - Kläger verlangt Schmerzensgeld wegen eines am 3.8.2004 auf dem Bolzplatz der Beklagten erlittenen Unfalls, bei dem er erhebliche Verletzungen, u.a. eine querverlaufende Prellmarke am Hals und Schürfwunden mit Schwellungen links frontal im Gesicht (in Augenhöhe) und am linken Ellenbogen erlitt. Er spielte am Unfalltag gegen 20.30 Uhr gemeinsam mit anderen Jugendlichen Fußball auf dem im Eigentum der Beklagten stehenden Bolzplatz in M.. Der Bolzplatz war umrandet mit einer Maschendrahtumzäunung, die sich seit geraumer Zeit - aufgrund von Vandalismus - in einem verwahrlosten und beklagenswerten Zustand befand; der Zustand der Zaunanlage war der Beklagten und auch dem Kläger bekannt.
Das LG hat über den bestrittenen Unfallhergang - wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 ZPO) - Beweis durch Einvernahme der Zeugen W., S., L. und H. (zum Unfallhergang) und der Zeugen Sch. und Sch. (zum Zustand des Zaunes) und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des H. W. (ebenfalls zum Zustand des Zaunes; Zaunhöhe und Spanndraht) umfangreich Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 17.10.2007 (Bl. 84 ff., Bd. I) und 30.1.2008 (Bl. 134 ff., Bd. I) und das Gutachten des SV W. (vom 30.6.2008) Bezug genommen.
Das LG hat mit Urteil vom 10.6.2009 die Klage abgewiesen. Es ist zwar aufgrund des Beweisergebnisses von dem Unfallereignis, wie vom Kläger geschildert, ausgegangen, hat aber dennoch eine Einstandspflicht der Beklagten verneint, weil es von einer ausreichenden Kontrolle und Instandhaltung des Bolzplatzes/der Zaunanlage ausgegangen ist. Es hat dabei ausgeführt, eine Kontrolldichte im Abstand von 4 bis 6 Wochen sei ausreichend. Im Übrigen sei dem Kläger ein ganz überwiegendes Mitverschulden (Eigenverschulden) anzurechnen, da er regelmäßig auf dem Bolzplatz Fußball gespielt habe, ihm mithin der Zustand der (beschädigten) Zaunanlage bekannt sei; ggü. diesem Mitverschulden trete eine Haftung der Gemeinde wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht zurück.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 24.6.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.7.2009 Berufung eingelegt und diese - nach Gewährung einer Fristverlängerung bis 29.9.2009 - am 24.9.2009 begründet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 24.9.2009 (Bl. 283 ff., Bd. II d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des LGs Gera vom 10.6.2009 - 3 O 701/07 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 1.500 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt - unter Verteidigung des Urteils - die Berufung zurückzuweisen und (zu ihren Gunsten) die Revision zuzulassen.
I. Die statthafte und - da fristgerecht eingelegt und begründet - auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) hat in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils im tenorierten Umfang. Unter Anrechnung eines hälftigen Mitverschuldensanteils (des Klägers) hält der Senat für die auf Grund d...