Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht auf "Trampelpfad"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch die Zulassung oder Duldung eines öffentlichen Verkehrs auf einem Grundstück - hier eines "Trampelpfades" - verpflichtet den Eigentümer grundsätzlich zur Verkehrssicherung. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht kann aber in einem solchen Fall nicht strenger beurteilt werden als der für ersichtlich mit Willen des Grundstückseigentümers für berechtigte Grundstücksnutzer geschaffene Wege.

2. Insoweit gilt, dass der Benutzer die gegebenen Verhältnisse so hinnehmen muss, wie sie sich ihm erkennbar darbieten; ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen ist nur dann geboten, wenn Gefahren bestehen, die auch für einen sorgfältigen Nutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag.

3. Verunfallt ein Nutzer auf einem erkennbar "behelfsmäßigen" unbefestigten Trampelpfad, weil sich damit eine erfahrungsgemäß beim Betreten eines abwärts führenden Trampelpfades von jedem Nutzer zu berücksichtigende Gefahr verwirklicht, so haftet der Nutzer allein, weil entweder schon eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Eigentümers des Grundstücks ganz ausscheidet oder jedenfalls das Eigenverschulden des Gestürzten so deutlich überwiegt, dass eine Mithaftung des Verkehrssicherungspflichtigen gänzlich zurücktritt.

 

Normenkette

BGB §§ 823 ff.

 

Verfahrensgang

LG Meiningen (Urteil vom 24.08.2004; Aktenzeichen 2 O 215/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Meiningen vom 24.8.2004, 2 O 215/04, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Beklagte wird gem. §§ 6 Abs. 1 EFZG, 823 Abs. 1, 842 BGB in Regress genommen. Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht soll dazu geführt haben, dass eine Mitarbeiterin stürzte und die Klägerin Lohnfortzahlung i.H.v. 5.649,88 EUR gem. § 3 Abs. 1 EFZG leisten musste. Dieser Betrag nebst Zinsen wird mit der Klage geltend gemacht.

Wegen des Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die getroffenen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil (Bl. 56-58 d.A.) Bezug genommen.

Das LG hat mit Urteil vom 24.8.2004, 2 O 215/04, der Klage in vollem Umfang stattgegeben, denn die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht für die streitige Bobanlage verletzt. Eine wirksame Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf die die Bobanlage betreibende Streitverkündete sei nicht erkennbar.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt.

II. Die zulässige Berufung hat Erfolg.

Entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung rechtfertigt der erstinstanzlich ermittelte Sachverhalt es schon nicht, davon auszugehen, der Unfall der Mitarbeiterin der Klägerin sei auf eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zurückzuführen. Aus diesem Grunde kann unentschieden bleiben, ob die Beklagte rechtswirksam die Verkehrssicherungspflichten für die streitige Anlage auf die Streitverkündete übertragen hat.

Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht lässt sich nicht daraus herleiten, dass ein Trampelpfad, der eine Böschung abwärts vom geteerten Gelände führte, geduldet worden ist.

Die Zulassung oder Duldung öffentlichen Verkehrs auf einem Grundstück verpflichtet zwar den Eigentümer zur Ergreifung der notwendigen Verkehrssicherungsmaßnahmen. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder auch nur andauern lässt, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze der Nutzer zu treffen hat (OLG Brandenburg v. 23.1.1996 - 2 U 117/95, NZV 1997, 77 ff.). Aber der Umfang der Verkehrssicherungspflicht für den geduldeten Pfad kann jedenfalls nicht strenger beurteilt werden als der für ersichtlich mit Willen des Eigentümers oder berechtigten Grundstücknutzers geschaffene Wege. Insoweit gilt aber, dass der Benutzer die gegebenen Verhältnisse so hinnehmen muss, wie sie sich ihm darbieten, und sich ihnen anpassen. Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen ist nur dann geboten, wenn Gefahren bestehen, die auch für einen sorgfältigen Nutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag.

Aus den hereingereichten Fotos ist ersichtlich, dass die zum Gelände der Bobbahn gehörenden Flächen geteert und als vorgesehene Verkehrswege unschwer auszumachen sind. Der unbefestigte, von der Klägerin selbst als "Trampelpfad" charakterisierte "Weg" dagegen ist auf den ersten Blick als behelfsmäßig erkennbar und jedenfalls von der Beklagten oder ihrer Streithelferin als Weg vom oder zum Gelände der Bobbahn offensichtlich nicht angelegt worden.

Dieser Umstand hat sich der verunfallten Mitarbeiterin der Klägerin auch erschlossen, denn auch sie spricht als Zeugin erster Instanz vernomme...

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