1 Leitsatz
Beschließen die Wohnungseigentümer eine Änderung des Umlageschlüssels für eine einzelne Erhaltungsmaßnahme, muss nicht zugleich eine entsprechende Regelung für alle künftigen gleich gelagerten Fälle beschlossen werden.
2 Normenkette
§ 16 Abs. 2 Satz 2 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen im August 2021, die defekten Dachflächenfenster im Bereich des Sondereigentums von Wohnungseigentümer K auszutauschen (TOP 2) und dazu die X-GmbH zu beauftragen (TOP 3), wobei die Kosten der Arbeiten durch K finanziert werden sollen (TOP 4c). Mit seiner Anfechtungsklage wendet sich Wohnungseigentümer K gegen die zu TOP 4c beschlossene Kostenverteilung. Das AG weist die Klage ab. Die Berufung bleibt erfolglos. Mit der Revision will K weiterhin erreichen, dass der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt wird.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Der Umlagebeschluss sei nicht zu beanstanden. Die Wohnungseigentümer seien nicht gezwungen gewesen, eine Regelung für die Behandlung künftiger gleich gelagerter Fälle zu treffen. Aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG ergebe sich nicht, dass bei einer erstmaligen Änderung des Umlageschlüssels für einzelne Kosten zugleich eine entsprechende Regelung für alle gleich gelagerten Fälle beschlossen werden müsse. Eine andere Betrachtung sei auch nicht im Hinblick auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz der Wohnungseigentümer geboten. Ob und in welcher Art und Weise in Folgebeschlüssen die zuvor für eine einzelne Erhaltungsmaßnahme beschlossene Änderung der Kostenverteilung zu berücksichtigen sei, könne ohnehin nicht hypothetisch für künftige Fälle beurteilt werden, sondern nur für eine konkrete Maßnahme oder einen bereits gefassten, konkreten Beschluss.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, wann die Änderung eines Umlageschlüssels einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht. Konkret geht es um die Frage, ob schon der erste Umlagebeschluss bestimmen muss, dass in künftigen gleich gelagerten Fällen ein identischer Umlageschlüssel gilt.
Streit der Landgerichte
Das LG Stuttgart meinte, eine abweichende Kostenverteilung entspreche nur dann den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn in dem Erstbeschluss für alle gleich gelagerten Erhaltungsmaßnahmen eine entsprechende abweichende Kostenverteilung beschlossen werde (LG Stuttgart, Urteil v. 20.7.2022, 10 S 41/21, ZMR 2022, 825). Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten werde, der Grundsatz der Maßstabskontinuität behalte nur noch als Gleichbehandlungsgebot für die Bewertung künftiger Umlageschlüssel eine Bedeutung, werde übersehen, dass die Zurücksetzung des einzelnen Wohnungseigentümers bereits im Zeitpunkt des Beschlusses gegeben sei, weil für ihn, abweichend von den anderen Wohnungseigentümern, die gesetzliche Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen nicht mehr gelte. Das LG Frankfurt a. M. (die Vorinstanz beim BGH) sah es nicht so und meinte, es reiche, die Maßstabskontinuität beim zweiten Beschluss, der auf § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG beruht, fruchtbar zu machen.
Lösung des BGH
Der BGH schließt sich den hessischen Richtern an. Dies überzeugt auch! Zwar ist der Einwand des K, jeder Beschluss über die Kostenverteilung müsse dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechen, zutreffend. Dies bedeutet auch, dass der Grundsatz der Maßstabskontinuität anzuwenden ist. Diese Frage muss aber bei der Anfechtung des Beschlusses in dem zweiten Fall geprüft werden, in dem auch um die Frage gestritten werden kann, ob die Fälle vergleichbar sind.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltungen müssen wissen, wann ein Umlagebeschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht. Bislang konnte man streiten, ob diese Anforderung nur erfüllt ist, wenn bereits beim ersten Beschluss dem Grundsatz der Maßstabskontinuität Rechnung getragen wird. Diese Sichtweise ist mit der Klärung des Bundesgerichtshofs jetzt vom Tisch! Zwar können die Wohnungseigentümer in ihrem ersten Umlagebeschluss eine entsprechende Anordnung treffen. Näher liegt aber, diese Frage zu vertagen und sie erst zu klären, wenn es um einen vergleichbaren Fall geht. In der Wohnungseigentumsanlage, um die es im Fall geht, läge es beispielsweise nahe, dass alle Fenster, die sich im Bereich von Wohnungen befinden, auf Kosten der jeweiligen Wohnungseigentümer als Sondereigentümer zu erhalten sind.
6 Entscheidung
BGH, Urteil v. 22.3.2024, V ZR 87/23