1 Leitsatz
Für die Bewertung, ob es sich um eine Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch i. S. v. § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB handelt, ist neben dem zeitlichen Moment der vereinbarte Vertragszweck maßgeblich. Der bloße Wunsch des Vermieters, ein Mietverhältnis kurz zu begrenzen, kann nur im Rahmen des § 575 BGB verwirklicht werden. Eine Anmietung zu Studienzwecken stellt keinen Anlass dar, der per se die Kurzfristigkeit der Gebrauchsüberlassung begründet.
2 Normenkette
§§ 575 BGB Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB
3 Das Problem
Ein Vermieter vermietete eine möblierte Ein-Zimmer-Wohnung von 34 qm an zwei Studenten mit einer Miete von pauschal 1.030 EUR. Laut Mietvertrag war die Mietdauer auf 6 Monate befristet.
In einer Klausel stand: "Die Mietern (sic) erklären ausdrücklich, dass das o. g. angemietete Mietobjekt nicht zum dauernden Lebensmittelpunkt den Mietern (sic) wird. Hierzu erklären die Mieter weiter, dass sie nur eine kurzfristige Gebrauchsüberlassung wünschen, weil sie zurzeit studieren. Lebensmittelpunkt ist INDIA."
Eine weitere Klausel lautete: "Die Parteien sind sich darüber einig, dass sowohl die besonderen Umstände der Anmietung und des Vertragszwecks (insbesondere Möblierung, überschaubare Vertragsdauer, Kurzfristigheit (sic) der Gebrauchsüberlassung), als auch das baldige Vertragsende feststehen und diese Vorstellungen beider Parteien gerade Vertragsinhalt sein sollen."
Nachfolgend wurde der Mietvertrag in einem "Nachtrag" um weitere 6 Monate verlängert. Die vereinbarte Pauschalmiete betrug 1.050 EUR.
Rund einen Monat vor Ablauf der Laufzeit des Mietvertrags erklärten die Mieter, dass sie nicht aus der Wohnung ausziehen, weil es sich um ein unbefristetes Mietverhältnis handelt.
Nachdem die Mieter den angebotenen Mietvertrag – vermutlich wegen der Höhe der vorgesehenen Pauschalmiete – abgelehnt hatten, verklagte der Vermieter sie auf Räumung der Mietwohnung. Er berief sich u. a. darauf, dass die Mieter angeblich erklärt haben, dass sie sich in Berlin nur vorübergehend zum Studium aufhalten.
4 Die Entscheidung
Die Klage hat keinen Erfolg. Das Gericht begründet das damit, dass mangels eines Befristungsgrundes i. S. v. § 575 BGB Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BGB keine wirksame Befristung vereinbart worden ist. Von daher gelte der Mietvertrag als unbefristet abgeschlossen i. S. d. § 575 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Kein vorübergehender Gebrauch einer Mietwohnung
Diese Regelung sei anwendbar, weil es sich um keinen vorübergehenden Gebrauch einer Mietsache i. S. v. § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB handelt. Dies ergebe sich daraus, dass kein besonderer Anlass für die Anmietung der Wohnung bestanden habe. Hierfür reiche nicht, dass die Wohnung zum Zwecke des Studiums angemietet worden ist. Denn ein Studium erstrecke sich normalerweise über einen längeren Zeitraum. Von daher sei es nicht etwa mit einem Hotelzimmer oder einer Ferienwohnung vergleichbar, an die der Gesetzgeber vor allem gedacht habe.
Vorübergender Aufenthalt reicht nicht
Hiergegen spricht nach Auffassung des Gerichtes nicht, dass die Studenten sich angeblich vorübergehend in Berlin aufhalten. Denn der Begriff "vorübergehend" i. S. d. § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB könne hier auch längere Zeiträume erfassen. Eine Ausnahme komme in Betracht, wenn eine Wohnung semesterweise vermietet wird. Das sei hier zu verneinen, weil der Mietvertrag keine solche Regelung enthalte. Ungeachtet dessen entspreche die erste Befristung nicht dem üblichen Semesterturnus.
Kein Wohnheim im Sinne von § 549 Abs. 3 BGB
Schließlich verwies das Gericht darauf, dass es sich um keine Wohnung in einem Studentenwohnheim handelt. Von daher könne sich die Zulässigkeit einer Befristung nicht aus § 549 Abs. 3 BGB ergeben.
Da die Parteien gegen die Entscheidung des AG Kreuzberg keine Berufung eingelegt haben, wurde das Urteil rechtskräftig.
5 Entscheidung
AG Berlin-Kreuzberg, Urteil v. 15.3.2024, 14 C 336/23
6 Einordnung der Entscheidung
Durch die Entscheidung wird die Position von studentischen Mietern gestärkt. Der Begriff des vorübergehenden Gebrauchs wird von der Rechtsprechung als Ausnahmetatbestand eng ausgelegt. Maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Das ergibt sich aus einigen Gerichtsentscheidungen, die in ähnlichen Fällen ergangen sind:
So hat das OLG Hamm (Beschluss v. 4.4.1986, 7 W 13/86) entschieden, dass kein vorläufiger Gebrauch der Mietsache vorliegt, wenn ein Mietvertrag mit einem Studenten für einen längeren Zeitraum als ein Semester abgeschlossen wird.
Ähnlich sah es das LG Heidelberg (Urteil v. 13.10.2022, 5 S 16/22): Ein Vermieter hatte mit einem angehenden Studenten einen Mietvertrag über ein Ein-Zimmer-Apartment abgeschlossen. Der "Zwischenmietvertrag" enthielt die Klausel: "Das Mietverhältnis beginnt am 01.07.2020 und wird befristet bis zum 30.09.2020 geschlossen, mit Option auf Verlängerung bis zum Verkauf des Hauses (4 Wochen Kündigungsfrist)." Nachdem der Vermieter von der Verlängerungsoption Gebrauch gemacht hatte, kündigte er nach Verkauf des Hauses am 27.4.2021 den Mietvertrag zum 31.5.2021 und verklagte den Mieter auf Räumung des Apartments. Hierzu entschied das LG Heide...