1 Leitsatz

Die auf Beseitigung von Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum (hier: Nachbesserung nach § 439 Abs. 1 BGB) unterfallen nicht der Ausübungsbefugnis gem. § 9a Abs. 2 WEG. Die Wohnungseigentümer können der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer solche Rechte aber durch Beschluss zur alleinigen Durchsetzung zuweisen.

2 Normenkette

§ 9a Abs. 2 WEG

3 Das Problem

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K geht nach einer Vergemeinschaftung der Mängelrechte der Wohnungseigentümer in den Jahren 2014 und 2015 gegen B vor, der den Wohnungseigentümern die Wohnungseigentumsrechte an einer gebrauchten Immobilie unter Ausschluss von Mängelrechten verkauft hat. Fraglich ist, ob K auch nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) am 1.12.2020 weiterhin zu einer Klage befugt ist.

4 Die Entscheidung

Der V. Zivilsenat bejaht die Frage! Die Wohnungseigentümer seien bislang befugt gewesen, ihre Rechte auf eine ordnungsmäßige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums gegen einen Bauträger oder Veräußerer der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuzuweisen, wenn diese jeweils in "vollem Umfang" auf Beseitigung der Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum und damit auf das gleiche Ziel gerichtet waren. Solche Beschlüsse lägen vor. Die dadurch geschaffene Prozessführungsbefugnis sei von § 9a Abs. 2 WEG, der während des Berufungsverfahrens in Kraft getreten sei, nicht berührt worden. Die Wohnungseigentümer könnten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihre Rechte weiterhin durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung zuweisen. Die Kompetenz für einen solchen Beschluss sei den §§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG zu entnehmen.

5 Hinweis

Problemüberblick

B hat mit den späteren Wohnungseigentümern keinen Bauträgervertrag geschlossen. Wird gebrauchtes Wohnungseigentum veräußert (= ein reiner Kaufvertrag), kann man dennoch fragen, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für das gemeinschaftliche Eigentum Rechte aus dem Erwerbsvertrag hat. Der VII. Zivilsenat entschied zum alten Recht, die Wohnungseigentümer könnten kaufvertragliche Nacherfüllungsansprüche vergemeinschaften, wenn diese Ansprüche jeweils in vollem Umfang auf Beseitigung der Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum und damit auf das gleiche Ziel gerichtet seien (BGH, Urteil v. 25.2.2016, VII ZR 156/13, Rn. 18). Die Befugnis bestehe selbst dann, wenn nur ein Erwerber noch ein durchsetzbares Recht auf ordnungsmäßige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums haben sollte.

Ob das auch nach dem 1.12.2020 gilt, war offen. Die OLG-Lösung, wonach jetzt § 9a Abs. 2 WEG anwendbar sein soll, war, wie ich an dieser Stelle angemerkt hatte, mit sehr großer Vorsicht zu genießen. Denn § 9a Abs. 2 WEG soll nach seinem Sinn und Zweck nicht dazu dienen, in jeden Erwerbsvertrag über ein gebrauchtes Wohnungseigentum in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum hineinzuregieren. Da § 9a Abs. 2 WEG die primären werkvertraglichen Rechte nicht erfasst, ließ sich für das Kaufrecht insoweit wohl nichts anderes begründen.

Vergemeinschaftung

Der V. Zivilsenat des BGH hat einen Fall aus dem Kaufrecht, für den er und nicht der VII. Zivilsenat zuständig ist, dafür genutzt, rasch für Klarheit zu sorgen. Seiner Auffassung nach bleibt alles beim Alten. Es besteht mithin weiterhin die Möglichkeit, primäre Mängelrechte zu vergemeinschaften! Es gibt aber auch noch unbekanntes Terrain. Beispielsweise ist nicht ganz sicher, was für die sekundären Mängelrechte im Kaufrecht oder für die Herausgabe von Unterlagen gilt. Der VII. Zivilsenat hat hingegen zwischenzeitlich entschieden (BGH, Beschluss v. 1.2.2023, VII ZR 887/21, Rn. 1), dass die Lösung des V. Zivilsenats auch gilt, wenn ein werkvertraglicher Anspruch auf Nacherfüllung (§ 634 Nr. 1 BGB) oder auf Kostenvorschuss (§ 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB) in Rede steht.

6 Entscheidung

BGH, Urteil v. 11.11.2022, V ZR 213/21

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