1.1 Grundsatz
Jeder, der Gefahrenquellen schafft, hat die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter zu treffen. Dies gilt auch für Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer. In der Sprache der Juristen bedeutet dies: Wer auf dem ihm gehörigen Grund und Boden einen Verkehr für Menschen eröffnet, zulässt oder andauern lässt, hat im Rahmen des Zumutbaren die Pflicht zur Verhütung von Gefahren, die sich für die Teilnehmer an dem Verkehr aus dem gefährlichen Zustand des Grundstücks, Gebäudes usw. und seiner Zugänge ergeben. Insbesondere obliegt ihm die Pflicht, die Verkehrsteilnehmer vor nicht ohne Weiteres erkennbaren Gefahren zu schützen oder mindestens zu warnen.
1.2 Begriff der Verkehrseröffnung
Die Eröffnung des Verkehrs setzt voraus, dass der Verfügungsberechtigte (meist: der Eigentümer) den Grund und Boden zur zweckentsprechenden Benutzung durch Dritte freigibt. Dies kann auch stillschweigend durch tatsächliche Zulassung des Verkehrs geschehen: Der Eigentümer duldet stillschweigend das Parken fremder Kraftfahrzeuge im Hof, die dauernde Benutzung seines Privatwegs durch Dritte oder das Spielen der Kinder auf seinem Grundstück. Auch wenn die Verkehrseröffnung in solchen Fällen aus Gefälligkeit erfolgt, wird die Verkehrssicherungspflicht nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt.
Sicherungspflichten bestehen nicht nur bei Zulassung eines allgemeinen Verkehrs, sondern auch bei Zulassung des Verkehrs für einen beschränkten Personenkreis.
Mietshaus und Baustelle
Dies trifft etwa für eine Baustelle, aber insbesondere für ein Mietshaus zu. Der Eigentümer eröffnet mit der Vermietung von Räumen den Verkehr nicht nur gegenüber dem Mieter, sondern auch gegenüber dessen Angehörigen, Personal und Besuchern; er hat ihnen gegenüber die Pflicht, für gefahrlose Benutzung der Räume und Zugänge Sorge zu tragen.
Wer also eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.
Der Betrieb eines Weidegrundstücks mit einem Weidezaun stellt keine Schaffung einer verkehrssicherungspflichtigen Gefahrenquelle für Rechtsgüter Dritter dar, die mit dem Grundstück in Berührung kommen könnten, wenn an dieser Stelle kein "Verkehr" für Personen eröffnet worden ist, welches eine Verkehrssicherungspflicht begründen könnte. Der Betreiber des Weidegrundstücks muss nicht damit rechnen, dass Personen in Zaunnähe mit dem Maschendraht in Berührung kommen, weil sie unmittelbar am Zaun entlanggehen.
1.3 Umfang der Sicherungspflicht
Welche Sicherungsmaßnahmen im Einzelnen zu treffen sind, hängt in erster Linie von Art und Größe der Gefahr ab.
Hierbei ist zu bedenken, dass es eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht gibt. Daher muss nicht für alle denkbaren, nur entfernt liegenden Möglichkeiten einer Gefährdung Vorsorge getroffen werden. Es gibt eben Fälle, die – wie es der BGH ausdrückt – als "Unglück" einzuordnen sind. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar.
Eine Gefahr löst erst dann die Pflicht zu Sicherungsmaßnahmen aus, wenn sich für einen Sachkundigen die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter Dritter (Gesundheit, Eigentum usw.) verletzt werden können. Es sind dann solche Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherungserwartungen des Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder bei nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen.
Wer beispielsweise nachts unbefugt ein in ländlich einsamer Gegend gelegenes Hausgrundstück betritt und dabei in einen bei Tageslicht deutlich sichtbaren Kellerschacht neben dem Haus stürzt, kann wegen der dabei erlittenen Schäden den Grundstückseigentümer nicht haftbar machen. Allerdings kann sich die rechtlich gebotene Verkehrssicherung auch auf Gefahren erstrecken, die erst durch den unerlaubten und schuldhaften Eingriff eines Dritten entstehen.
Bei deutlich erkennbaren Gefahren, die vor sich selbst warnen, bedarf es keiner Verkehrssicherung, wenn bei verständiger Beurteilung anzunehmen ist, dass der zu Schützende ihnen ausweichen kann und wird.
Regennasser Garten
Der Hauseigentümer, der seine Gäste einlädt, mit ihm den regennassen Garten zu besichtigen, haftet nicht, wenn einer seiner Gäste auf dem Rasen ausrutscht und sich dabei verletzt. Gleiches gilt, wenn der Außendienstmitarbeiter eines Baustofflieferanten anlässlich von Vermessungsarbeiten durch die noch nicht fertiggestellte, mit Kunststoffplatten abgedeckte Terrasse eines Wohnhauses stürzt.
Allerdings besteht eine Verkehrssicherungspflicht nicht nur bei überraschender Gefahr. Auch wenn die Gefahr nicht verborgen ist, kann eine Pflicht zu ihrer Beseitigung bestehen, wenn der Pflichtige mi...