1 Leitsatz
Schließt die Verwaltung eigenmächtig Verträge zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, kann ihr gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Ersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag und/oder Bereicherungsrecht zustehen.
2 Normenkette
§§ 18, 27 WEG; §§ 677ff., 812 ff. BGB
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen im Jahr 2014, für ein Gesamtvolumen von rund 40.000 EUR brutto die A-GmbH mit der Erneuerung der Eingangstüren und der Briefkastenanlagen zu beauftragen. Die Verwaltung führt diesen Beschluss nicht aus. Sie beauftragt nicht die A-GmbH, sondern die B-GmbH. Diese hatte ein günstigeres Angebot abgegeben und führt die Arbeiten für nur 36.300,83 EUR aus. Die Verwaltung begleicht die Rechnung der B-GmbH aus Mitteln der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
Diese ist damit nicht einverstanden und genehmigt den Vertrag mit der B-GmbH nicht. Im Jahr 2017 wird die B-GmbH zu allem Übel im Handelsregister gelöscht, nachdem ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht einmal eröffnet worden war. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangt von der Verwaltung daher die Rückzahlung der an die B-GmbH geleisteten Zahlungen. Die Verwaltung sieht sich im Recht. Hilfsweise rechnet sie mit nach ihrer Darstellung in gleicher Höhe bestehenden Gegenansprüchen auf. Sie meint nämlich, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei durch die Durchführung der Erhaltungsmaßnahmen in Höhe von 36.300,83 EUR bereichert.
Das AG folgt der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und verurteilt die Verwaltung antragsgemäß. Die hiergegen gerichtete Berufung bleibt erfolglos. Das LG ist der Ansicht, die Verwaltung sei nicht berechtigt gewesen, der B-GmbH die 36.300,83 EUR zu zahlen. Der Verwaltung stehe auch kein aufrechenbarer Gegenanspruch zu. Ein Wohnungseigentümer, der eigenmächtig Erhaltungsmaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum durchführe oder durchführen lasse, habe keinen Ersatzanspruch. Für Verwaltungen könne nichts anderes gelten. Auch ihnen sei es zumutbar, das gesetzlich vorgesehene Verfahren unter Wahrung der Beschlusshoheit der Wohnungseigentümer zu beachten.
4 Die Entscheidung
Dies sieht der BGH nicht so! Anders als AG und LG hält er es für möglich, dass der Verwaltung durch die Erhaltungsmaßnahmen ein Anspruch zusteht, den sie dem Anspruch der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entgegenhalten kann. Denn einer Verwaltung stehe grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der ihr bei der Geschäftsführung entstandenen Aufwendungen zu. Der Verwaltervertrag sei ein auf Geschäftsbesorgung gerichteter Dienstvertrag. Es gehöre zum gesetzlichen Leitbild eines solches Vertrags, dass die Kosten aus der Ausführung der Geschäftsbesorgung von dem Auftraggeber zu tragen seien, in dessen Interesse die Geschäftsbesorgung erfolge. Die Verwaltung müsse zwar Beschlüsse gemäß dem ihr bekannten Willen und dem Interesse der Wohnungseigentümer durchführen. Und diese Verpflichtung habe B verletzt. Die Verletzung stehe einem Ersatzanspruch aber nicht entgegen.
Liege eine Eigenmächtigkeit darin, dass sich die Verwaltung über die Entscheidung der Wohnungseigentümer hinweggesetzt habe, ein bestimmtes Unternehmen zu beauftragen, könne dies allerdings eine Verringerung des Ersatzanspruchs rechtfertigen. Das komme insbesondere in Betracht, wenn die künftige Durchsetzung etwaiger Gewährleistungsansprüche gegen das von der Verwaltung beauftragte Unternehmen weniger Erfolg versprechend erscheine oder wenn es den Wohnungseigentümern darauf angekommen sei, die bestehende Geschäftsbeziehung zu dem von ihnen gewählten Unternehmen zu festigen, um sich dadurch in der Zukunft die schnellere Ausführung von Arbeiten, die Durchführung von Kleinreparaturen und Wartungen oder ähnliche Vorteile zu sichern. Die sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Nachteile ließen sich durch einen Abschlag vom Erstattungsanspruch berücksichtigen, der – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – bis zu 20 % betragen könne.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es einerseits um die Frage, ob eine Verwaltung befugt ist, den Willen der Wohnungseigentümer zu ignorieren. Andererseits und vorrangig geht es um das Problem, ob eine Verwaltung von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Ersatz verlangen kann, wenn sie eigenmächtig gehandelt hat. Dies bejaht der BGH.
Bindung an Beschlüsse
Fassen die Wohnungseigentümer einen Beschluss, sind diese selbst, aber auch die Verwaltung an ihn gebunden. Muss ein Beschluss "durchgeführt" werden, muss beispielsweise ein Vertrag namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geschlossen werden, ist diese Durchführung eine Aufgabe der Verwaltung. Die Verwaltung muss jeden nicht für ungültig erklärten Beschluss, aber auch jede wirksame Vereinbarung zeitnah, in der Regel sogar unverzüglich, durchführen. Die Verwaltung ist nicht befugt, einer Entscheidung der Wohnungseigentümer ihr eigenes Ermessen entgegenzustellen. Dies gilt selbst dann, wenn die Entscheidung der Verwaltung oder sogar "jedermann" als "falsch" erscheint. Haben sich die Wohnungseigentümer – wie im Fall – für ein bestimmtes Vertragsa...