1 Leitsatz

Der Verwalter darf auf die ihm obliegende Unterrichtung der Wohnungseigentümer zu möglichen Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum und auf die Vorbereitung einer sachgerechten Beschlussfassung über das weitere Vorgehen nicht deswegen verzichten, weil die Wohnungseigentümer "über den Stand der Dinge informiert" sind und "weitere Maßnahmen hätten treffen können und müssen". Auf die (potenzielle) Kenntnis der Wohnungseigentümer von den Tatsachen, aus denen sich Anhaltspunkte für einen Mangel ergeben, kommt es nicht an.

2 Normenkette

§ 26 WEG

3 SachverhaltDas Problem

Verwalter B beauftragt S mit der Erstellung eines Gutachtens zum Zustand der Balkone. In einer Versammlung im Januar 2001 wird protokolliert, nach Aussage von S sei eine einfache Betonsanierung mit Epoxidharz ausreichend. In den Jahren 2001 bis 2009 sprechen die Wohnungseigentümer den Zustand der Balkone nicht an. B lässt in dieser Zeit jeweils nach Meldungen an Balkonen Reparaturarbeiten für rund 200.000 EUR ausführen (Versiegelungen, Beschichtungen sowie Anstriche). Im Jahr 2018 macht eine Gesellschaft K aus abgetretenem Recht gegen B Schadensersatz in Höhe von 219.000 EUR nebst Zinsen geltend. B hätte 2001 nach Ansicht von K darüber informieren müssen, dass nach Einschätzung des S bereits im Jahr 2001 eine Gesamtreparatur der Balkone dringend erforderlich gewesen sei. Die nunmehr durchzuführenden bzw. durchgeführten Arbeiten seien 518.100 EUR teurer. Das LG ist der Ansicht, B habe nicht gegen seine Pflichten verstoßen. Wenn die Wohnungseigentümer und der Verwalter in Bezug auf Baumängel und deren Ursachen denselben Kenntnisstand hätten, sei es Sache der Wohnungseigentümer, rechtzeitig entsprechende Beschlüsse herbeizuführen. Dem Beweisantritt, S habe dem B mehr gesagt, als dieser den Wohnungseigentümern mitgeteilt habe, sei nicht nachzugehen. S habe in einer E-Mail erklärt, keine Angaben mehr zum Inhalt des Gutachtens machen zu können.

4 Die Entscheidung

Der BGH meint aus prozessualen Gründen, S sei zur Frage, welches Wissen er B vermittelt habe, zu vernehmen gewesen. Sollte S bestätigen, B eine umfassende Reparatur aller Balkone dringend angeraten zu haben, wäre nicht ausgeschlossen, dass B gegen seine Pflichten verstoßen habe, weil er Wohnungseigentümern weder das Gutachten selbst noch diese Empfehlung mitgeteilt habe. Die Haftung des B könne nicht mit der Begründung verneint werden, er habe keinen Wissensvorsprung gegenüber den Wohnungseigentümern gehabt. Ein Verwalter dürfe auf die ihm obliegende Unterrichtung und auf die Vorbereitung einer sachgerechten Beschlussfassung nicht deswegen verzichten, weil die Wohnungseigentümer "über den Stand der Dinge informiert" sind und "weitere Maßnahmen hätten treffen können und müssen". Auf die (potenzielle) Kenntnis der Wohnungseigentümer von den Tatsachen, aus denen sich Anhaltspunkte für einen Mangel ergeben, komme es nicht an. Es sei Aufgabe des Verwalters zu überprüfen, ob ein Mangel vorliegt und wie er gegebenenfalls zu beseitigen sei. Eine Kenntnis einzelner Eigentümer ändere nichts.

Hinweis

Auch dann, wenn K im weiteren Verfahren eine solche sachverständige Empfehlung nicht beweisen kann, schiede eine Haftung des B nicht aus. Vielmehr wäre nach Ansicht des BGH dann zu prüfen, ob B bereits aus Umfang und Häufigkeit der Schäden hätte darauf schließen müssen, dass möglicherweise eine tiefergehende Ursache für die Schäden vorliegt, sodass B verpflichtet gewesen sei, die Wohnungseigentümer entsprechend zu informieren und zumindest die Beschlussfassung über eine nähere Untersuchung einer solchen Ursache vorzubereiten. Soweit das LG dem entgegenhalte, B sei kein Fachmann und habe daher die Reparaturbedürftigkeit der Balkone nicht erkennen müssen, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass ein Verwalter bereits gehalten sei, die Wohnungseigentümer über den Verdacht, dass ein gravierender Mangel am gemeinschaftlichen Eigentum besteht, zu informieren, damit diese entscheiden können, ob sie zur weiteren Klärung sachverständige Untersuchungen in Auftrag geben. Im Übrigen habe B damit geworben, ein technikerfahrener Verwalter zu sein. Die Nachwirkung der Bauweise von Betonbauten sei aber regelmäßig Gegenstand von Fachzeitschriften und Informationsmaterial gewesen. Eine Haftung des B scheide auch nicht deswegen aus, weil die jährlichen Ausgaben für die Balkoninstandsetzung in den Wirtschaftsplänen und Abrechnungen ausgewiesen waren. Auch dann sei es die Aufgabe des B gewesen, die Wohnungseigentümer zu unterrichten, dass Umfang und Häufigkeit der Maßnahmen darauf schließen lassen, dass möglicherweise eine tiefergehende Ursache für die Schäden vorliegt, und die Beschlussfassung über eine nähere Untersuchung einer solchen Ursache vorzubereiten. Bei Verstößen eines Verwalters gegen seine den Wohnungseigentümern gegenüber bestehenden Überwachungs-, Kontroll- und Unterrichtungspflichten bestehe im Übrigen eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Pflichtverletzung für den Eintritt des Schadens kausal war (Hinweis auf BGH, Urteil v. 19.7.2019, V ZR 75/18, Rz. 39).

Ausblick WEG-Refor...

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