1 Leitsatz
Ein Wohnungseigentümer hat einen Anspruch auf Abberufung des Verwalters, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht mehr vertretbar ist. Diese Frage ist in umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und aller gegen den Verwalter erhobenen Vorwürfe zu beantworten.
Seit dem 1.12.2020 kann der Verwalter jederzeit abberufen werden. Entgegenstehende Regelungen in der Gemeinschaftsordnung sind unwirksam. Wird der Verwalter abberufen, endet der mit ihm geschlossene Vertrag spätestens 6 Monate nach der Abberufung. Entgegenstehende Vereinbarungen in einem Verwaltervertrag sind auch unwirksam.
2 Normenkette
WEG § 26 Abs. 1
3 Das Problem
Es geht um eine Mehrhausanlage. Der Verwalter erstellt dort die Jahresabrechnungen nach Häusern. Diese Abrechnungen lässt er nur von den Wohnungseigentümern der jeweiligen Häuser genehmigen (es gilt noch altes Recht, mithin § 28 Abs. 5 WEG a. F., der bestimmte, dass nicht Nachschüsse, sondern die Jahresabrechnung beschlossen wird). Auch in der Versammlung vom 4.12.2018, zu der lediglich die Wohnungseigentümer von Haus 1 geladen sind, wird so verfahren und die Jahresabrechnung für das Jahr 2017 für dieses Haus genehmigt. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Das AG ist im Juli 2019 der Ansicht, der Genehmigungsbeschluss sei nichtig. Die Wohnungseigentümer von Haus 1 bildeten keine Untergemeinschaft. Seine Bewohner seien daher nicht berechtigt gewesen, den Beschluss zu fassen.
Im November 2019 versammeln sich alle Wohnungseigentümer. Sie beschließen, in den Jahresabrechnungen für die Jahre 2016 bis 2018 solle die Kostenzuordnung "wie bisher" erfolgen. Daneben soll eine neue Gesamtabrechnung in Form einer Einnahmen-/Ausgabenrechnung erstellt werden. Wohnungseigentümer K hält das alles nicht für richtig und den Verwalter, der das Tun zu verantworten hat, für unfähig. Er beantragt daher in dieser Versammlung, den Verwalter abzuberufen und den Verwaltervertrag außerordentlich zu kündigen. Diese Anträge lehnen die Wohnungseigentümer mehrheitlich ab. K erhebt deshalb eine Beschlussersetzungsklage. Das AG soll den Verwalter abberufen und den Verwaltervertrag kündigen. Das AG weist die Klage ab. Auch die Berufung zum LG bleibt erfolglos. Mit seiner Revision zum BGH verfolgt K seine Anträge weiter.
4 Die Entscheidung
Der BGH ist der Ansicht, auch nach dem seit dem 1.12.2020 geltenden Recht bestehe ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters nur dann, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheine. Zwar könne ein Verwalter seit dem 1.12.2020 jederzeit abberufen werden. Regelungen in der Gemeinschaftsordnung, die dieser Rechtslage entgegenstünden, seien unwirksam geworden. Werde der Verwalter abberufen, ende der mit ihm geschlossene Vertrag jetzt zudem spätestens 6 Monate nach der Abberufung. Entgegenstehende Vereinbarungen im Verwaltervertrag seien mithin ebenfalls unwirksam geworden. Auch richte sich der Anspruch auf Abberufung des Verwalters nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
Der Anspruch auf Abberufung des Verwalters bestehe aber weiterhin nur dann, wenn die Ablehnung dieses Anspruchs aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheine. "Nicht vertretbar" bedeute dabei nicht, dass unerfüllbare Anforderungen an den Abberufungsanspruch gestellt werden dürften. Es reiche aus, wenn in der Gesamtschau allein die Abberufung dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspreche. Ob ein Abberufungsanspruch gegeben sei, sei auch nach neuem Recht in umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und aller gegen den Verwalter erhobenen Vorwürfe zu prüfen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass mit dem Kriterium der Unvertretbarkeit zum einen die Entscheidung der Mehrheit in vertretbarem Rahmen respektiert, andererseits aber auch der Minderheit Schutz geboten werde. Insofern müsse bei der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls auch jeweils der Minderheitenschutz in den Blick genommen werden. Bei der Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls könnten schwerwiegende Verstöße die Abberufung eher nahelegen, während bei leichteren Verfehlungen möglicherweise eher berücksichtigt werden könne, inwieweit in der Zukunft eine Besserung zu erwarten sei.
Mit welchem Gewicht länger zurückliegende Geschehnisse zu berücksichtigen seien, entziehe sich einer allgemeinen Betrachtung. Allgemeingültige zeitliche Grenzen, jenseits derer Pflichtverletzungen unbeachtlich seien, gebe es nicht. Die Annahme, die Ablehnung der Abberufung eines Verwalters sei unvertretbar, könne sich erst in der Gesamtschau eines neuerlichen Vorfalls mit älteren Geschehnissen ergeben. Umgekehrt könne ein neuer Vorfall einen alten in einem neuen Licht erscheinen lassen. Zudem könne ein länger zurückliegender Punkt im Rahmen einer Gesamtwürdigung mit weiteren späteren Vorfällen, "die das Fass irgendwann zum Überlaufen bringen", wesentliche Bedeutung erlangen. Zwar sei auch denkbar, dass ein bestim...