1 Leitsatz

Lädt ein Dritter die Wohnungseigentümer zu einer Versammlung, den der Verwalter umfassend mit sämtlichen Verwaltungsaufgaben betraut hat und der faktisch für den Verwalter die Verwaltung führt, liegt eine systematische Missachtung der Regelungen des Wohnungseigentumsrechts vor. Die gefassten Beschlüsse sind dann, ohne dass es auf eine Kausalitätsprüfung ankommt, für ungültig zu erklären.

2 Normenkette

§ 26 Abs. 1 WEG

3 Das Problem

Die B GmbH & Co. KG lädt die Wohnungseigentümer zur Versammlung. Diese KG hat der Verwalter umfassend mit sämtlichen Verwaltungsaufgaben betraut. B führt faktisch die Verwaltung. B wird in der Versammlung daher auch folgerichtig zur Verwalterin bestellt.

Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Er rügt, sein umfassend mit einer "Generalvollmacht" ausgestatteter Sondereigentumsverwalter S sei als sein Vertreter nicht zur Versammlung zugelassen worden (nach der Gemeinschaftsordnung ist eine Vertretung nur durch Verwandte in gerader Linie, Ehegatten, einen anderen Wohnungseigentümer, einen Generalbevollmächtigten oder den Verwalter zulässig). Das AG gibt der Anfechtungsklage wegen des Ausschlusses des Sondereigentumsverwalters statt. Dagegen richtet sich die Berufung.

4 Die Entscheidung

Im Ergebnis ohne Erfolg! Allerdings sei der Versammlungsleiter berechtigt gewesen, S nach der Gemeinschaftsordnung nicht als Vertreter zu akzeptieren. Zwar habe K die dem S erteilte Vollmacht als "Generalvollmacht" bezeichnet. S sei aber nur ermächtigt gewesen, das Wohnungseigentum des K zu vertreten – und auch dies nur beschränkt, denn die Veräußerung des Wohnungseigentums sei dem S nicht gestattet gewesen. Eine solche Vollmacht sei nach einer Auslegung keine Generalvollmacht im Sinne der Gemeinschaftsordnung.

Zur Versammlung habe aber nicht der Verwalter, sondern die B GmbH & Co. KG geladen. In der Übertragung der Verwalteraufgaben auf diese liege ein systematischer Verstoß gegen die Regelungen des Wohnungseigentumsrechts. Denn der Verwalter habe die Pflicht, seine Dienste höchstpersönlich zu erbringen. Außerhalb von Übertragungen innerhalb seines Unternehmens sei der Verwalter rechtsgeschäftlich nicht befugt, seine Pflichten auf Dritte zu übertragen oder diesen zur Ausübung zu überlassen.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall werden 2 Probleme angesprochen. Das eine ist die Frage, welche Personen einem Wohnungseigentümer als Vertreter dienen können. Das andere ist die Frage, was gilt, wenn eine dazu nicht befugte Person die Wohnungseigentümer zu einer Versammlung lädt.

Mögliche Vertreter eines Wohnungseigentümers

Jeder Wohnungseigentümer besitzt das Recht, sich als Eigentümer eines Wohnungseigentums durch eine oder sogar durch mehrere Personen in der Versammlung vertreten zu lassen. Als Vertreter kommt grundsätzlich jeder Dritte in Betracht. Neben einer Einzelvertretung ist eine Gruppenvertretung – die Vertretung mehrerer Wohnungseigentümer – oder die Vertretung eines Wohnungseigentümers durch mehrere Vertreter zulässig. In der Praxis ist es allgemeine Übung, dass der Verwalter einem Wohnungseigentümer von sich aus anbietet, im Fall der Verhinderung für ihn sein Stimmrecht als sein Vertreter wahrzunehmen.

Vertreterklausel

Die Befugnis, sich durch jeden Dritten vertreten zu lassen, kann durch eine Vereinbarung beschränkt werden (Vertreterklausel). Eine Vertreterklausel bezweckt vor allem, die Versammlungen von gemeinschaftsfremden Einwirkungen freizuhalten und den Kreis der Vertretungsberechtigten auf Personen zu beschränken, die entweder mit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums betraut sind (Verwalter), als Wohnungseigentümer bereits an der Versammlung teilnehmen dürfen oder dem vertretenen Wohnungseigentümer besonders nahestehen. In der Praxis werden 3 Arten von Vertretungsbeschränkungen bevorzugt: funktions- (Verwalter, Verwaltungsbeirat), gemeinschafts- (andere Wohnungseigentümer) und personenbezogene (Familienangehörige und Ehegatten).

Eine Vertretungsbeschränkung ist nach ihrem Sinn und Zweck nicht in allen Fällen einer Vertretung anwendbar. Überblick zu den wichtigsten Praxisfällen:

  • Gesetzliche Vertreter. Eine Vertretungsbeschränkung gilt nicht für den gesetzlichen Vertreter eines Wohnungseigentümers, z. B. die Eltern eines minderjährigen Wohnungseigentümers.
  • Juristische Personen. Eine Vertretungsbeschränkung gilt auch für juristische Personen, z. B. eine GmbH oder AG. Eine solche Person ist aber befugt, sich nicht nur durch ihre organschaftlichen Vertreter, sondern auch durch einen ihrer Mitarbeiter vertreten zu lassen. Ebenso wie es einer natürlichen Person verwehrt ist, sich durch einen beliebigen Dritten oder den Mitarbeiter eines von ihm beauftragten Verwaltungsunternehmens vertreten zu lassen, kann sich eine juristische Person freilich nicht durch einen Mitarbeiter eines beliebigen anderen Unternehmens vertreten lassen. Eine juristische Person kann sich allerdings dann durch einen Mitarbeiter einer zu demselben Konzern gehörenden (weiteren) Tochtergesellschaft vertreten lassen, wenn diese für die Verwaltung des Wohnungseigentums zustän...

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