1 Leitsatz
Der Verwalter kann einem Wohnungseigentümer wegen des Zustands einer Treppe Schadensersatz schulden.
2 Normenkette
WEG § 27 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3
3 Sachverhalt
Im Garten der Wohnungseigentumsanlage befindet sich eine Notausgangstreppe von der Tiefgarage hinauf in den Garten. In der Nähe der Treppe befindet sich ein Wasserhahn zur Gartenbewässerung. Wohnungseigentümer K behauptet, er habe im Oktober 2012 gegen 20 Uhr ein plätscherndes Geräusch gehört und dieses dem Wasserhahn zuordnen können. Er habe sich mit seiner Zigarette in der rechten Hand dorthin begeben und habe mit der linken Hand den Hahn zudrehen wollen. Bei der Körperbewegung nach links sei er rückwärts die 13-stufige Treppe zur Tiefgarage hinabgestürzt. Dazu sei es gekommen, weil die oberste Stufe dem Gartenniveau nicht angepasst sei, sondern eine 15 cm hohe Kante aufweise (Mitte der 1980 Jahre ist zur Vermeidung herunterlaufenden Regenwassers die Treppenanlage um die oberste Stufe ergänzt worden). Infolge des Sturzes habe er schwerste Verletzungen der Halswirbelsäule erlitten und sei als gelernter Pferdewirt zu 100 % berufsunfähig. Der Verwalter B müsse ihm insoweit Schadensersatz leisten. B meint, nicht verantwortlich zu sein. Es gebe doch den Hausmeister.
4 Entscheidung
Das AG sieht es wie B. Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG treffe den Verwalter zwar die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Der Verwalter könne diese Pflicht allerdings delegieren. Im Fall habe der Verwalter die Verkehrssicherungspflicht auf den Hausmeister übertragen. Bei einer Übertragung einer Verkehrssicherungspflicht habe der Übertragene (nur) dafür einzustehen, dass der nun Verpflichtete bereit und in der Lage sei, seine Verpflichtung zu erfüllen. Dies habe er zu überwachen. Ob die 2-malige Begehung im Jahr, die B selbst durchgeführt haben will, hierfür ausreiche, könne offenbleiben.
Jedenfalls seien jegliche etwaige Ansprüche wegen eines Mitverschuldens des B ausgeschlossen. Zum einen sei K die Treppenanlage und auch ihre Erweiterung durch die obere Stufe seit seiner Kindheit bekannt. Zum anderen hätte K den baulichen Zustand der Treppe weder zum Thema einer Versammlung gemacht noch B informiert.
Hinweis
Nach ständiger BGH-Rechtsprechung ist derjenige, der eine Gefahrenlage gleich welcher Art schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (Verkehrssicherungspflicht). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch.
Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr daher erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadeneintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden.
Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind.
Die Verkehrssicherungspflichten im Zusammenhang mit dem gemeinschaftlichen Eigentum ruhen von Gesetzes wegen auf allen Wohnungseigentümern und werden in der Regel nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer "erfüllt", also organisiert. Daneben besteht in Grenzen eine gesetzliche Verkehrssicherungspflicht des Verwalters. Diese folgt in Eilfällen aus § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG. Danach ist der Verwalter gegenüber den Wohnungseigentümern und gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, in dringenden Fällen sonstige zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderliche Maßnahmen zu treffen. Dringend sind Fälle, die wegen ihrer objektiven Eilbedürftigkeit die Einberufung einer Versammlung und die Befassung der Wohnungseigentümer mit "ob" und "wie" einer Erhaltungsmaßnahme nicht mehr zulassen. Zu fragen ist jeweils, ob die (weitere) Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums oder Menschen gefährdet wären, wenn nicht umgehend gehandelt würde. Beispiele für solche eiligen, eher seltenen Fälle, die aber Schäden verursachen können, denen man sofort entgegentreten muss sind etwa ein Gasleck, ein Leitungsbruch, d...