1 Leitsatz
Der Verwaltervertrag ist grundsätzlich kein Vertrag mit Schutzwirkung für die Wohnungseigentümer.
2 Normenkette
§§ 18 Abs. 2, 26 Abs. 1 WEG; §§ 31, 280 Abs. 1 BGB
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen im Juni 2020, die Hauseingangstüren aufgrund eines Angebots der X-GmbH über 40.460 EUR austauschen zu lassen. Der Verwalter B schließt mir der X-GmbH einen Werkvertrag zu einem Bruttopreis von 50.019,20 EUR. Wohnungseigentümer K meint, B habe in Höhe der Preissteigerung von 9.559,20 EUR einen Schaden verursacht. Er verklagt daher B auf Zahlung von 241,48 EUR (der Miteigentumsanteil von K beträgt 253/10.000stel). B meint, K müsse die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verklagen.
4 Die Entscheidung
Das AG sieht das auch so. Es meint daher, der Antrag sei unbegründet! Nach der WEG-Reform könne der Verwaltervertrag grundsätzlich nicht mehr als ein Vertrag mit Schutzwirkung für die Wohnungseigentümer angesehen werden. Denn dem einzelnen Wohnungseigentümer stehe ein Anspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wegen Verletzung ihrer Verpflichtung auf ordnungsmäßige Verwaltung nach § 18 Abs. 2 WEG zu. Das Verhalten des Verwalters sei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer analog § 31 BGB zuzurechnen. Ein Wohnungseigentümer habe daher gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei einer Pflichtverletzung einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB. Ob die Rechtslage für Schäden anders zu beurteilen sei, die sich unmittelbar im Vermögen des einzelnen Wohnungseigentümers realisierten, könne dahingestellt bleiben: der behauptete Schaden trete bei K nur mittelbar über die Umlage der Kosten ein.
5 Hinweis
Problemüberblick
Die Entscheidung wirft die Frage auf, ob der Verwaltervertrag Vertrag mit Schutzwirkung für die Wohnungseigentümer ist. Die Antwort hierauf muss aus Karlsruhe kommen.
Verwaltervertrag: Keine Klärung im Vertrag
Bis zu einer Antwort aus Karlsruhe, ob der Verwaltervertrag von Gesetzes wegen ein Vertrag mit Schutzwirkung für die Wohnungseigentümer ist, gibt es 2 Lager: Das eine meint, die Voraussetzungen für einen Vertrag mit Schutzwirkung für die Wohnungseigentümer lägen auch nach der WEG-Reform vor (z. B. Jennißen/Zschieschack, 7. Aufl. 2022, § 27 Rz. 227; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 90 ff.; BeckOK WEG/Elzer, 50. Ed. 30.9.2022, WEG § 26 Rz. 207). Die anderen lehnen diese Sichtweise aufgrund des neu konstruierten WEG ab (z. B. Wobst ZWE 2021, 17 (19); Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, 2020, § 5 Rn. 33; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 60; ohne Stellungnahme LG München, Beschluss v. 16.2.2022, 36 T 1514/22).
Überzeugender ist die erste Ansicht. Der Anspruch des Wohnungseigentümers aus dem Verwaltervertrag ist nicht subsidiär gegenüber dem Anspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aus § 31 BGB. Im Übrigen ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Dritter. Etwas anderes wäre nur anzunehmen, wenn man bereits die Amtspflichten als drittschützend ansehen würde.
Verwaltervertrag: Klärung im Vertrag
Die Frage, ob der Verwaltervertrag Vertrag zugunsten der Wohnungseigentümer ist, kann man im Verwaltervertrag lösen. Dieser kann ausdrücklich als echter Vertrag zugunsten der Wohnungseigentümer ausgestaltet werden. Dazu rate ich.
6 Entscheidung
AG Wiesbaden, Urteil v. 16.8.2022, 91 C 650/22 (78)