1 Leitsatz

Eine Entlastung der Verwaltungsbeiräte entspricht nur dann einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn keine Anhaltspunkte für einen Schadensersatzanspruch oder andere Ansprüche erkennbar sind.

2 Normenkette

§§ 28 Abs. 2 Satz 2, 29 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K greift den Beschluss an, mit dem die Wohnungseigentümer den Verwaltungsbeiräten namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Entlastung erklärt haben. K rügt, die Jahresabrechnung (§ 28 Abs. 2 Satz 2 WEG) sei fehlerhaft.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Der Beschluss widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Eine Entlastung der Verwaltungsbeiräte entspreche nur dann einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn keine Anhaltspunkte für einen Schadensersatzanspruch oder andere Ansprüche erkennbar seien. Diese Anhaltspunkte gebe es aber, da die Jahresabrechnung fehlerhaft sei.

Soweit diese Rechtsprechung jüngst in Zweifel gezogen worden sei (Hinweis auf LG Koblenz, Urteil v. 24.1.2022, 2 S 72/20 WEG, ZWE 2022 S. 175), teile die Kammer diese Zweifel nicht. Zutreffend sei, dass Ersatzansprüche gegen die Verwaltungsbeiräte nicht automatisch in Betracht kämen, wenn die Jahresabrechnung fehlerhaft sei. Die Aufgabe der Verwaltungsbeiräte bestehe nicht darin, die Jahresabrechnung in allen Einzelheiten nachzuprüfen und insbesondere zu analysieren, ob die Jahresabrechnung der BGH-Rechtsprechung entspreche. Allerdings enthalte die Entlastung nach herrschender Auffassung auch ein negatives Schuldanerkenntnis, woraus folge, dass Ansprüche, die von der Entlastung erfasst seien, nicht mehr geltend gemacht werden könnten, was auch Auskünfte und Erklärungen zu den von der Entlastung erfassten Vorgängen betreffe.

5 Hinweis

Problemüberblick

Die Wohnungseigentümer können die Verwaltungsbeiräte für ein Geschäftsjahr entlasten. Diese "Entlastung" ist erstens die Billigung einer Amtsführung für einen bestimmten Zeitraum als dem Gesetz, der Gemeinschaftsordnung und den ggf. vertraglichen Pflichten entsprechend und als zweckmäßig. Zweitens wird dem Amtsträger für die künftige Tätigkeit das Vertrauen ausgesprochen. Mit der Entlastung ist drittens die Folge eines negativen Schuldanerkenntnisses (§ 397 Abs. 2 BGB) verbunden. Da der Entlastungsbeschluss typischerweise in der Annahme gefasst wird, dass Ansprüche gegen den Amtsträger nicht bestehen, zielt er nicht auf die Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses; diese sind vielmehr lediglich Folge der geschilderten Vertrauenskundgabe. Ein Entlastungsbeschluss entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn keine Schadenersatzansprüche absehbar sind. Er widerspricht ihr hingegen, wenn Ansprüche in Betracht kommen und kein Grund ersichtlich ist, auf diese zu verzichten.

Entlastung des Verwalters

Beim Verwalter widerspricht eine Entlastung insbesondere dann einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn der Verwalter eine fehlerhafte Jahresabrechnung oder einen mangelhaften Wirtschaftsplan vorgelegt hat und dadurch die Beschlüsse nach § 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WEG mangelhaft sind, oder wenn ein tatsächliches Verhalten gebilligt wird, das einen schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzesverstoß oder einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Wohnungseigentümer darstellt.

Entlastung der Verwaltungsbeiräte

Die Entlastung der Verwaltungsbeiräte soll hingegen nach bislang h. M. einer ordnungsmäßigen Verwaltung bereits dann widersprechen, wenn die von den Verwaltungsbeiräten geprüfte, jedoch nicht beanstandete Jahresabrechnung fehlerhaft ist und geändert werden muss. In der Entscheidung wird gefragt, ob dies richtig ist – und bejaht. Ich denke, das ist richtig! Denn es geht nicht nur um Schadensersatz. Es geht auch um eine Billigung und Vertrauen. Beides ist ausgeschlossen, wenn den Verwaltungsbeiräten entgangen ist, dass die Jahresabrechnung fehlerhaft ist. Ferner können die Wohnungseigentümer, wie das LG ausführt, noch Auskünfte und Erklärungen zu den von der Entlastung erfassten Vorgängen haben.

6 Entscheidung

LG Frankfurt a. M., Urteil v. 22.12.2022, 2-13 S 77/21

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