1 Leitsatz

Der Anfechtungskläger muss sich an den Prozesskosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auch dann beteiligen, wenn seine Anfechtungsklage Erfolg hat.

2 Normenkette

§ 16 Abs. 2 Satz 1 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K gewinnt eine Beschlussklage gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Fraglich ist, ob er sich an den Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beteiligen muss.

4 Die Entscheidung

Das AG meint ja! Seit dem 1.12.2020 sei davon auszugehen, dass Prozesskosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Kosten der Verwaltung i. S. d. § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG seien. Auch der obsiegende Wohnungseigentümer als Mitglied der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer müsse sich daher an diesen Kosten beteiligen (Hinweis u. a. auf MüKo-BGB/Scheller; 8. Aufl. 2021, § 16 WEG Rn. 23 und Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, § 16 WEG Rn. 32). Nur diese Sichtweise werde der Doppelrolle des obsiegenden Wohnungseigentümers – einerseits als Prozesspartei und andererseits Mitglied der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – gerecht. Soweit Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, § 16 WEG Rn. 102 meine, der obsiegende Wohnungseigentümer sei in der folgenden Jahresabrechnung von der anteiligen Kostentragung freizustellen, sei dem nicht zu folgen. Denn auf Grundlage dieser Argumentation müsste – konsequent weitergedacht – im Rahmen der Abrechnung/Kostenverteilung auf das Abstimmverhalten jedes einzelnen Wohnungseigentümers abgestellt werden, dies letztlich sogar verschuldensunabhängig, und es würde letztlich eine Art Gefährdungshaftung der Wohnungseigentümer für ihr Abstimmverhalten entstehen, obwohl die Wohnungseigentümer im Grundsatz noch nicht einmal zur Teilnahme an der Versammlung und Mitwirkung an der Willensbildung verpflichtet seien und nur für ein unter bestimmten Voraussetzungen ggf. pflichtwidriges Abstimmverhalten nach §§ 241, 280 Abs. 1 BGB haften könnten. Im Übrigen werde, soweit ersichtlich, auch nirgends gefordert, im umgekehrten Fall – dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nämlich im Rechtsstreit gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer obsiege – die gerichtliche Kostenverteilung hier "durchschlagen" zu lassen und die an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erfolgte Kostenerstattung in der Abrechnung bei dem unterlegenen Eigentümer unberücksichtigt zu lassen (was ansonsten nur konsequent wäre). Vielmehr seien die der Gemeinschaft erstatteten Beträge als Einnahmen in der Jahresabrechnung anteilig auch auf den betreffenden Wohnungseigentümer zu verteilen.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um die Frage, ob sich der Kläger einer Beschlussklage an den Kosten der von ihm beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beteiligen muss.

Kostentragung

Das AG bejaht diese Frage. Diese Antwort überzeugt aus den vom AG genannten Gründen und sollte von den Verwaltungen derzeit beachtet werden.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Die Kosten sämtlicher Rechtsstreitigkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, zum Beispiel die Kosten eines Rechtsstreits gem. § 17 WEG oder einer Hausgeldklage, sind Verwaltungskosten i. S. v. § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG. Gewinnt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Rechtsstreit gegen einen Wohnungseigentümer, ist dieser Anspruch nicht in die Einzelabrechnung des Wohnungseigentümers einzustellen. Denn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss ihren prozessualen oder materiellen Kostenerstattungsanspruch außerhalb der Abrechnung verfolgen. Verliert die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Aktivprozess, sind die Kosten hingegen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG auf sämtliche Wohnungseigentümer umzulegen, auch den letztlich obsiegenden (siehe auch Drasdo WuM 2021, S. 85, 86). Muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einem obsiegenden Wohnungseigentümer dessen Prozesskosten in einem Passivprozess erstatten, beispielsweise bei einer Beschlussklage, gilt, wie der Fall zeigt, nichts anderes. Auch die dafür nötigen Mittel sind auf alle Wohnungseigentümer umzulegen, auch den klagenden Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentümer können etwas anderes vereinbaren oder nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG beschließen (Drasdo, NJW-Spezial 2023, S. 33, 34). Ein Anspruch auf diesen Beschluss gibt es grundsätzlich nicht. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG kann auch beschlossen werden, dass nur die Wohnungseigentümer die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu tragen haben, die für den Beschluss gestimmt haben. Dieser Beschluss wird aber in der Regel einer ordnungsmäßigen Verwaltung widersprechen, da darüber eine Art Gefährdungshaftung für Abstimmungsverhalten eingeführt werden würde (siehe auch Drasdo, NJW-Spezial 2023, S. 33, 34).

6 Entscheidung

AG Pfaffenhofen, Urteil v. 9.3.2023, 2 C 567/22

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