Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechtigung. von einer nach dem 19.01.2009 erteilten tschechischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG (3. EU-Führerscheinrichtlinie) ist bereits zum 19.01.2009 in Kraft getreten und damit auch auf die seit diesem Zeitpunkt erteilten EU-Fahrerlaubnisse anwendbar.
2. Es bestehen gewichtige Zweifel daran, ob die in Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG verbindlich festgeschriebene Nichtanerkennung von Führerscheinen, die trotz vorangegangener Entziehung der Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellt werden, als eng auszulegende Ausnahme vom allgemeinen Anerkennungsgrundsatz des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG angesehen werden kann; bis zu einer ausdrücklichen Entscheidung des EUGH über Anwendung und Auslegung von Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG kann daher nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die restriktive Rechtsprechung des EUGH zu der Vorgängerbestimmung des Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 91/439/EWG auf Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG übertragbar ist.
3. Rechtsbehelfe gegen die Verpflichtung zur Ablieferung oder Vorlage des Führerscheins gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 StVG i.V.m. § 47 Abs. 2 Satz 1 FeV haben ungeachtet der Regelung in § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV, die eine Verpflichtung zur Ablieferung oder Vorlage des Führerscheins auch dann vorsieht, wenn die Entscheidung angefochten wurde, die Behörde jedoch die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung angeordnet hat, aufschiebende Wirkung.
Normenkette
Richtlinie 91/439/EWG Art. 1 Abs. 2, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 8 Abs. 4 S. 1; Richtlinie 2006/126/EG Art. 2 Abs. 1, Art. 11 Abs. 4 S. 2, Art. 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 2, Art. 16 Abs. 1-2, Art. 18 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4; VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 S. 1, Abs. 5; AGVwGO SL § 20 S. 1; StVG § 3 Abs. 2 S. 2, § 29 Abs. 1 S. 2 Nrn. 2a, 3, Abs. 5 S. 1; FeV § 28 Abs. 1, 4, § 28 S. 1 Nr. 3, S. 2, § 47 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1; SVwVG § 18 Abs. 1, § 22 Abs. 1, §§ 22a, 22b Abs. 1 S. 1, § 23
Tenor
1. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe – ohne Ratenzahlungen – bewilligt und Rechtsanwalt Dr. T… B… zur unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte beigeordnet, soweit er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die in dem Bescheid des Antragsgegners vom 05.03.2010 unter Ziff. 4 enthaltene Zwangsmittelandrohung begehrt.
Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
2. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die in dem Bescheid des Antragsgegners vom 05.03.2010 unter Ziff. 4 enthaltene Zwangsmittelandrohung wird angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 3/4 und der Antragsgegner zu ¼.
4. Der Streitwert beträgt 2.500,– Euro.
Gründe
Der Aussetzungsantrag des Antragstellers hat nach Maßgabe des Tenors teilweise Erfolg.
Soweit der Antragsteller mit seinem Antrag die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 14.03.2010 gegen die in dem Bescheid des Antragsgegners vom 05.03.2010 unter Ziff. 1 enthaltene Feststellung, dass seine tschechische Fahrerlaubnis ihn nicht dazu berechtigt, in Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen, begehrt, ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, da dem Widerspruch des Antragstellers aufgrund der unter Ziff. 2 des Bescheides getroffenen Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Entscheidung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung zukommt.
Vgl. zur aufschiebenden Wirkung auch eines Widerspruchs, der sich gegen einen feststellenden Verwaltungsakt richtet, § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO
Der auch im Übrigen zulässige Antrag ist allerdings nicht begründet.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers genügt zunächst die schriftliche Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der sich aus dieser Vorschrift ergebende Begründungszwang dient dem Zweck, die Behörde zu veranlassen, sich des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst zu werden, und die Frage, ob das öffentliche Interesse die sofortige Vollziehung erfordert, sorgfältig zu prüfen. Dementsprechend muss aus der Begründung hinreichend nachvollziehbar hervorgehen, welche besonderen Gründe die Behörde im konkreten Fall dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen und dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung den Vorrang vor dem Aussetzungsinteresse des Betroffenen einzuräumen. Allerdings kann sich die Behörde auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen, wenn die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen. Dies ist etwa bei Fahrerlaubnisentziehungen unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr angesichts der hohen Bedeutung der Sic...