Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit einer Klage aufgrund von Versäumnissen des Prozessbevollmächtigten, insbesondere bei der Organisation des Geschäftsablaufs und der Fristenkontrolle. Fristversäumnisse des Prozessbevollmächtigten werden dem Mandanten in vollem Umfang zugerechnet. daraus resultierend ist eine Widereinsetzung in den Vorigen Stand nicht möglich

 

Normenkette

VwGO § 74 Abs. 1 S. 1, § 60 Abs. 1, 2 S. 2, § 173; ZPO § 85 Abs. 2

 

Nachgehend

OVG des Saarlandes (Beschluss vom 12.08.2008; Aktenzeichen 1 A 229/08)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Unfallausgleich an den Kläger.

Der am … 1959 geborene Kläger steht als Beamter (Lokführer) im Dienst der Beklagten.

Am 11.11.2005 kam es zu einem Beinaheunfall, als der Kläger beim Herausfahren aus einem Tunnel bei Friedrichsthal, einen Mann wahrnahm, der ins Gleis gesprungen war, dort kurz stehen blieb und dann weglief. Dies wurde in einem Unfallvermerk aufgenommen, in dem der Kläger ausführte, es sei nicht erkennbar gewesen, ob das Verhalten des Mannes in selbstmörderischer Absicht geschehen sei. „Da ich schon einen Suizidfall hatte, führte dieser Vorfall bei mir zu einem Trauma”.

Eine am 02.04.1988 erfolgte „Suizidantenüberfahrung” war durch Bescheid der Deutschen Bundesbahn vom 31.08.1988 als Dienstunfall anerkannt worden („Hypersomie nach Bahnbetriebsunfall”).

Mit Bescheid vom 23.03.2006 erkannte die Beklagte das Schadenereignis vom 11.11.2005 aufgrund eines Gutachtens des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Dr. R., S., vom 07.03.2006 als Dienstunfall mit dem Körperschaden „Akute Belastungssituation” an und gewährte dem Kläger entsprechend Dienstunfallfürsorge.

Auf Empfehlung des Oberbahnarztes Dr. Ri. führte der Kläger in der Zeit vom 10.04. bis 10.07.2006 eine Heilkur in der Psychosomatischen Fachklinik M. durch.

Durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 11.01.2007 stellte die Beklagte fest, nach einer Nachuntersuchung von Dr. R. (28.11.2006) und einer Stellungnahme von Dr. Ri. (21.12.2006) liege mit 20 v.H. keine entschädigungspflichtige MdE mehr vor.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 30.01.2007 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er sich auf eine Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Dr. H., S.-D., bezog, der von einer (Dauer-)Diagnose „posttraumatische Belastungsstörung F 43.1” ausging und eine Begutachtung durch einen Traumaexperten vorschlug.

Durch Widerspruchsbescheid vom 16.08.2007 (zugestellt am 17.08.2007) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, Dr. Ri. habe festgestellt, dass die vorgelegten neuen Befunde keine wesentliche Verschlimmerung erkennen ließen, die eine weitere Begutachtung bzw. Neubewertung der MdE rechtfertigen könnten.

Durch Schriftsatz vom 05.10.2007, als FAX übermittelt am 08.10.2007, hat der Kläger Klage erhoben und beantragt, ihm hinsichtlich der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Den Wiedereinsetzungsantrag begründet er wie folgt: Der Kläger habe am 31.08.2007 bei seinem (damaligen) Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt B., B-Stadt, vorgesprochen. Daraufhin sei noch am selben Tag ein Schreiben an die Rechtsschutzversicherung mit der Bitte um Deckungszusage gerichtet und außerdem die Verwaltungsakte bei der Beklagten zur Einsichtnahme angefordert worden. Sodann habe Rechtsanwalt B. die Akte der Bürovorsteherin K. mit der Anweisung übergeben, die „dortigen Fristen unmittelbar zu notieren”.„Bei der Klageerhebung selbst” handele „es sich zunächst nur um eine Formalität, die üblicherweise am Tag des Fristablaufs vorgenommen werden” könne, „da zu diesem Zeitpunkt noch keine Akteneinsicht gewährt worden” sei, „respektive eine entsprechende Akteneinsicht erst nach Rücksprache mit dem Kläger insofern auch in eine Klagebegründung fließen konnte”.Im Rahmen der üblichen Wiedervorlage habe dem Widerspruchsbescheid unmittelbar entnommen werden können, dass die Klagefrist auf den 17.09.2007 auch notiert worden sei. Tatsächlich habe aber Frau K., die seit mehreren Jahren als staatliche geprüfte Bürovorsteherin beschäftigt sei und die bisher alle Fristen ordnungsgemäß „erledigt und notiert” habe, die Klagefrist auf dem Widerspruchsbescheid notiert (s.o.), sie jedoch weder in das Fristenbuch noch in den elektronischen Kalender eingetragen (Beweis: eidesstattliche Versicherung vom 05.10.2007). So sei es zur Versäumung der Klagefrist gekommen, was erst im Rahmen der routinemäßigen Wiedervorlage am 04.10.2007 entdeckt worden sei. „Insoweit waren weder di...

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