Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der Einbürgerung. Doppelehe. Ehe. Einbürgerung. Einehe. freiheitliche demokratische Grundordnung. Freiheitsstrafe. Straftat. Täuschung. Staatsangehörigkeitsrechts
Leitsatz (amtlich)
1. Die Eingehung einer Doppelehe nach Stellung des Antrages auf Einbürgerung verstößt gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung.
2. Das Verschweigen der weiteren Eheschließung rechtfertigt die Rücknahme der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
3. Ein Einbürgerungsbewerber, der dem Prinzip der Einehe nach langjährigem Aufenthalt in Deutschland zuwider handelt, bringt zum Ausdruck, dass er die Grundsätze der in Deutschland geltenden sozialen und rechtlichen Ordnung nicht hinreichend verinnerlicht hat, um die Annahme zu rechtfertigen, seine Integration werde sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit vollziehen.
4. Das Verschweigen einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung (hier: 1 Jahr 3 Monate) rechtfertigt die Rücknahme der Einbürgerung (Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung der Kammer, Urt. v. 10.09.2001, Az.: 10 E 4067/00).
Normenkette
AuslG § 85 Abs. 1, § 88; BGB § 1306; HVwVfG § 48; StGB § 172
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wurde am 12.06.1959 in H-Stadt (Pakistan) geboren und war pakistanischer Staatsangehöriger. Am 12.12.1980 heiratete er in Faisalabad Frau A., welche zwischenzeitlich die deutsche Staatsbürgerschaft hat und mit dem Kläger in Deutschland zusammenlebt. Aus dieser Ehe sind vier Töchter hervorgegangen, wobei das letzte Kind in Deutschland geboren ist. Der Kläger reiste erstmals am 19.05.1985 in die Bundesrepublik Deutschland ein und hat seitdem seinen dauernden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Nach seiner Einreise stellte er einen Asylantrag, gestützt auf die Zugehörigkeit zur Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft. Dieser führte letztendlich jedoch nicht zum Erfolg. Seit dem 17.06.1994 war er im Besitz einer befristeten und seit dem 15.03.1995 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Seit Herbst 1995 ist er selbständig und betreibt gemeinsam mit seiner Ehefrau einen Naturkostladen.
Am 10.09.1996 beantragte der Kläger gemeinsam mit seiner in Deutschland lebenden Ehefrau die Einbürgerung im deutschen Staatsverband sowie die Miteinbürgerung ihrer Kinder. In dem Antrag wurde die Frage nach früheren Ehen mit Nein beantwortet. Am 04.10.1996 heiratete der Kläger in Pakistan Frau I., welche am 26.01.2000 einen Sohn gebar.
Mit Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 17.08.1999 wurde der Kläger wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt (Az.: 54/08a Ds 3 Js 76079/96). Das Strafmaß wurde durch Urteil des Landgerichts B-Stadt vom 24.01.2001 dahingehend abgeändert, dass die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde unter gleichzeitiger Bewährungsauflage von fünf Jahren und monatlicher Rückzahlung von 750,– DM an das Sozialamt.
Der Verurteilung lag ein Sozialhilfebetrug zugrunde. Nach den Feststellungen des Gerichtes beantragte der Kläger am 11.02.1994 beim Sozialamt des Landkreises B-Stadt die Gewährung von Sozialhilfe. Dabei gab er an, ohne Einkommen und Vermögen zu sein. Das Sozialamt gewährte daraufhin für den Kläger und die Restfamilie ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt. In der Zeit von Februar 1994 bis Oktober 1995 wurden einschließlich diverser sonstigen Beihilfen 62.973,79 DM ausgezahlt. Entgegen seiner Verpflichtung zur Offenbarung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verschwieg der Kläger die Schenkung eines Geldbetrages von 30.000,00 DM durch seinen in Pakistan lebenden Vater. Der Betrag wurde am 25.08.1994 dem Konto des Klägers gutgeschrieben. Darüber hinaus verschwieg der Kläger, dass er seit Januar 1994 zusammen mit seinem Schwager ein Einzelhandelsgewerbe betrieb, aus dem er Einnahmen erzielte. Von dieser Verurteilung erhielt die Einbürgerungsbehörde keine Kenntnis. Aufgrund der Angaben im Einbürgerungsantrag und nach Nachweis des Verlustes der pakistanischen Staatsangehörigkeit erfolgte die Einbürgerung des Klägers durch Einbürgerungsurkunde vom 04.08.2000, ausgehändigt am 23.08.2000.
Im Oktober 2001 teilte der Landrat des Landkreises B-Stadt als Ausländerbehörde der Einbürgerungsbehörde mit, dass gegen den Kläger der Verdacht der Bigamie bestünde. Insoweit wurde am 10.07.2002 ein Schreiben der deutschen Botschaft von Islamabad vorgelegt, aus dem eindeutig hervorgeht, dass der Kläger in Pakistan eine Zweitfrau genommen habe, da seine erste Frau aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr empfangen könne und er nur vier Töchter habe, aber keinen Sohn. I...