Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarkeit des in § 10 BetrAVG vorgesehene Umlageverfahren zur Finanzierung der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung mit höherrangigem Recht. Vereinbarkeit des § 10 Abs. 3 BetrAVG mit Art. 3 Abs. 1 GG. Bestehen hinreichender Kontrollmechnanismen zur Verifikation der durch die Beitragspflichtigen mitgeteilten Beitragsbemessungsgrundlagen durch das BetrAVG. Vereinbarkeit der in § 14 Abs. 1 BetrAVG gesetzlich vorgesehene Trägerschaft der Insolvenzsicherung durch den PSVaG mit Art. 106 Abs. 1 AEUV i.V.m. Art. 102 AEUV
Leitsatz (amtlich)
1. Das in § 10 Abs. 1 bis 3 BetrAVG vorgesehene Umlageverfahren zur Finanzierung der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung ist auch nach Umstellung auf das vollständige Kapitaldeckungsverfahren mit höherrangigem Recht vereinbar. Dies gilt auch in Anbetracht des außergewöhnlich hohen Beitragssatzes im Beitragsjahr 2009.
2. Es ist mit Artikel 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass § 10 Abs. 3 BetrAVG das Entstehen und die Höhe der Beitragspflicht ausschließlich von der rechtlichen Konstruktion des Primäranspruchs (Durchführungsweg) abhängig macht und hingegen das etwaige Bestehen privatrechtlicher Sicherungsabreden außer Betracht lässt.
3. Das BetrAVG sieht hinreichende Kontrollmechnanismen zur Verifikation der durch die Beitragspflichtigen mitgeteilten Beitragsbemessungsgrundlagen vor, so dass eine Verletzung des Grundsatzes steuerlicher Lastengleichheit wegen grundlegender struktureller Mängel des Umlageverfahrens ausscheidet.
4. Die in § 14 Abs. 1 BetrAVG gesetzlich vorgesehene Trägerschaft der Insolvenzsicherung durch den PSVaG verstößt nicht gegen Artikel 106 Abs. 1 AEUV i.V.m. Artikel 102 AEUV, da der PSVaG kein Unternehmen im wettbewerbsrechtlichen Sinne ist.
5. Der durch § 14 Abs. 1 BetrAVG bewirkte Eingriff in die passive Dienstleistungsfreiheit (Artikel 56 AEUV) ist durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses (Schutz des finanziellen Gleichgewichts eines nationalen Systems der sozialen Sicherheit) gerechtfertigt.
6. Die Entscheidung des PSVaG, im Beitragsjahr 2009 von einer Inanspruchnahme des Ausgleichsfonds (§ 10 Abs. 2 Satz 6 BetrAVG) abzusehen, erfolgte ermessensfehlerfrei.
Normenkette
BetrAVG §§ 10, 14 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; AEUV Art. 102, 106
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Beitragsbescheid 2009 für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersvorsorge.
Der Beklagte, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, ist der gemäß § 14 des Gesetzes über die Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge – BetrAVG – bestimmte Träger der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersvorsorge in Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg. Sein satzungsmäßiger Zweck ist die Gewährleistung der betrieblichen Altersversorgung für den Fall der Insolvenz eines Arbeitgebers (§ 2 Abs. 1 der Satzung für den Pensionssicherungsverein – PSVaG-Satzung). Die Mittel für die Durchführung der Insolvenzsicherung werden aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung durch Beiträge aller Arbeitgeber aufgebracht, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unmittelbar zugesagt haben oder eine betriebliche Altersversorgung über eine Unterstützungskasse, eine gesetzlich näher definierte Form der Direktversicherung oder einen Pensionsfonds durchführen. Das Finanzierungssystem des Beklagten wurde zum 1. Januar 2006 von einen Rentenwertumlageverfahren zum einem (vollständigen) Kapitaldeckungsverfahren gesetzlich umgestellt. Die Höhe der jährlich durch den jeweiligen Arbeitgeber zu erbringenden Beitragsleistung errechnet sich hierbei aus dem Wert der individuell gesicherten Versorgungsansprüche und unverfallbaren Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung (sog. Beitragsbemessungsgrundlage) einerseits und aus dem Beitragssatz des Beklagten andererseits, der sich wiederum nach der Anzahl der im Beitragsjahr eingetretenen Schadensfälle (=Insolvenzen) richtet. Der BeitragsSatz 1ag seit 1982 jeweils unter 5? der Beitragsbemessungsgrundlage (zuletzt: 3,6? [2004], 4,9? [2005], 3,1? [2006], 3,0? [2007] und 1,8? [2008]).
Die Klägerin, ein Unternehmen der Immobilienbranche mit Sitz in M., gewährt seinen Mitarbeitern betriebliche Altersversorgung im Durchführungsweg der unmittelbaren Versorgungszusagen (sog. Direktzusagen). Ausweislich des am 19. August 2009 an den Beklagten übersandten Erhebungsbogens war die Klägerin bis zum Bilanzstichtag 2008 Pensionsverpflichtungen mit einem Teilwert (§ 6a Abs. 3 Einkommenssteuergesetz – EStG) von 744.508 EUR eingegangen. Hiervon entfiel ein Teilwert i. H. v. 401.587 EUR auf laufende Leistungen an 12 (ehemalige) Mitarbeiter; weitere 28 Mitarbeiter hatten unverfallbare Anwartschaften erworben, die mit einem Teilwert von 342.921 EUR in Ansatz gebracht wurden. Rechtsgesch...