1 Leitsatz

Ansprüche aus einem Vertrag über den Erwerb von Wohnungseigentum zählen nicht zu den in § 43 Nr. 1 WEG a. F. genannten Streitigkeiten. Das gilt auch dann, wenn die Ansprüche auf die Änderung einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer gerichtet sind und die Wohnungseigentümergemeinschaft nur aus den Vertragsparteien besteht.

2 Normenkette

§ 43 Nr. 1 WEG a. F.; § 72 Abs. 2 GVG

3 Das Problem

Ein Grundstück ist mit 2 Gebäuden bebaut, Nr. 1 und Nr. 2. Bereits vor der geplanten Aufteilung in Wohnungseigentum verkauft V einem B das Wohnungseigentum Nr. 2 (= das ganze Gebäude Nr. 2). Der Kaufvertrag sieht folgende Klausel vor: "Der Erwerber verpflichtet sich, gegen Bauvorhaben des jeweiligen Eigentümers des Wohnungseigentums Nr. 2 (= das ganze Gebäude Nr. 2) keine Einwendungen zu erheben, sofern diese baurechtlich zulässig sind". Die anschließend errichtete Gemeinschaftsordnung enthält in diesem Punkt folgende Regelung: "Soweit rechtlich möglich, hat jeder Sondereigentümer das Recht, ohne die Zustimmung der anderen Umbaumaßnahmen an ‚seinem’ Gebäude auf seine Kosten vorzunehmen." Im Jahr 2014 verkauft V dem K das Wohnungseigentum Nr. 1. Gestützt auf abgetretene vertragliche Ansprüche der V verlangt K von B die Zustimmung zu einer Änderung der Gemeinschaftsordnung dahingehend, dass die in dem Kaufvertrag zwischen V und B enthaltene Regelung zwischen K und B vereinbart ist. Fraglich ist, ob insoweit eine WEG-Streitigkeit vorliegt.

4 Die Entscheidung

Nach Ansicht des BGH liegt keine WEG-Streitigkeit vor! Nach den LG-Feststellungen stütze K die Klage ausschließlich auf abgetretene Ansprüche aus der kaufvertraglichen Rechtsbeziehung zwischen V und B. Maßgeblich sei deshalb, ob im Verhältnis zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien, aus denen sich die Wohnungseigentümergemeinschaft jedenfalls zunächst zusammengesetzt habe, die Anforderungen des § 43 Nr. 1 WEG a. F. erfüllt seien. Das sei nicht der Fall. Denn es entspreche einhelliger Ansicht, dass Ansprüche aus einem Vertrag über den Erwerb von Wohnungseigentum nicht zu den in § 43 Nr. 1 WEG a. F. genannten Streitigkeiten zählten. Das gelte auch dann, wenn die Klage auf eine Änderung der Gemeinschaftsordnung gerichtet sei und die Wohnungseigentümergemeinschaft nur aus den Vertragsparteien bestehe. Wenn ein Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung aus dem Kaufvertrag oder im Zusammenhang damit aus allgemeinen Rechtsgrundlagen hergeleitet werde, werde der Beklagte nicht als Wohnungseigentümer, sondern als Vertragspartei in Anspruch genommen.

Hinweis

Im aktuellen Recht ist § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG die maßgebliche Norm. Diese übernimmt grundsätzlich § 43 Nr. 1 WEG. Die richtigen BGH-Ausführungen gelten also im neuen Recht entsprechend (anders wäre es gewesen, wenn K aus § 10 Abs. 2 WEG geklagt hätte). Neu ist hingegen, dass im aktuellen Recht auch Streitigkeiten um die sachenrechtlichen Grundlagen des Wohnungseigentums unter § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG fallen. Diese Deutung ergibt sich aus dem Umstand, dass einschränkende Wörter aus § 43 Nr. 1 WEG a. F., nämlich "sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergebenden", bewusst nicht in § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG übernommen wurden (BR-Drs. 168/20 S. 91). § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG unterfällt damit z. B. die Frage der Zugehörigkeit bestimmter Räume und/oder Flächen zum Sondereigentum eines Miteigentümers oder der Streit um die Herausgabe von Sondereigentum (Hügel/Elzer, WEG, 3. Auflage, § 43 Rz. 55). Ferner unterfallen jetzt auch Streitigkeiten über den Geltungsbereich eines eingetragenen Sondernutzungsrechts § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG.

5 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 24.9.2020, V ZB 90/19

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