Der Anwendungsbereich der Norm wird insoweit enger werden, als die Wohnungseigentümer künftig nur noch dann unmittelbare Individualansprüche gegen andere Wohnungseigentümer haben werden, wenn konkret ihr Sondereigentum von der Störung betroffen ist. Zumindest, was die Ansprüche wegen einer unzulässigen baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums betrifft, ist die Rechtslage insoweit geklärt, als die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums gemäß § 18 Abs. 1 WEG n. F. künftig der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegt. Insoweit ist diese also auf Grundlage von § 9a Abs. 2 WEG n. F. allein aktivlegitimiert hinsichtlich entsprechender Rückbauansprüche.

Hinsichtlich des Anspruchs auf Unterlassen einer zweckbestimmungswidrigen Nutzung des Sondereigentums, ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach § 9a Abs. 2 WEG n. F. die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer u. a. "die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte" der Wohnungseigentümer ausübt. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG n. F. ist weiter ein jeder Wohnungseigentümer gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet, die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten. Da die Zweckbestimmung eines Sondereigentums Vereinbarungscharakter hat und somit auch eine Vereinbarung darstellt, dürfte im Regelfall der Rechtskreis der Wohnungseigentümer betroffen sein. Ist allerdings das Sondereigentum eines Wohnungseigentümers mit Blick auf die zweckbestimmungswidrige Nutzung konkret beeinträchtigt, hat auch der entsprechend beeinträchtigte Wohnungseigentümer ein eigenständiges Klagerecht. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerade nicht gegen den zweckbestimmungswidrig Nutzenden vorgeht.

 
Praxis-Beispiel

Intensivpflege in "Büroeinheit"

In einer "Büroeinheit" wird eine Intensivpflege und Beatmungs-WG betrieben. Die Nutzung ist mit akustischen und olfaktorischen Beeinträchtigungen für die übrigen Wohnungseigentümer im Bereich des gemeinschaftlichen Treppenhauses verbunden. Signaltöne der Überwachungsgeräte und auch störende Gerüche dringen überdies in die Wohnungen der benachbarten Wohnungseigentümer ein. Darüber hinaus wird das Gemeinschaftseigentum mit Blick auf die gegenüber der Nutzung als Büro erheblich erhöhte Besucher- und Personalfrequenz stärker in Anspruch genommen.

Hier ist klar in erster Linie der Rechtskreis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer betroffen, da die Nutzung zu einer Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums führt. Allerdings ist konkret und unmittelbar auch das Sondereigentum der beiden benachbarten Wohnungseigentümer von den Beeinträchtigungen betroffen. So der Verwalter nicht von sich aus eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über ein entsprechendes Unterlassungsbegehren initiiert, stellt sich die Frage, ob die beiden beeinträchtigten Wohnungseigentümer eine entsprechende Beschlussinitiative starten müssen oder ob sie ihre Rechte unabhängig hiervon individuell verfolgen können. Würde der Beschlussantrag jedenfalls abgelehnt, müsste eine Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG n. F. erhoben werden. Der Gesetzgeber steht in Begründung des Wegfalls der Übertragung "gekorener" Ausübungsbefugnisse jedenfalls selbst auf dem Standpunkt, den Wohnungseigentümern solle die Ausübung ihrer Individualrechte nicht mehr durch die Gemeinschaft genommen werden können.[1] Wie in "Pflichten der Wohnungseigentümer", "Kap. 2.1.1 Zweckbestimmungswidrige Nutzung" ausgeführt, hat dies zur Folge, dass die konkret gestörten Wohnungseigentümer als aktivlegitimiert anzusehen sind – und zwar ohne zuvor die übrigen Wohnungseigentümer vorbefassen zu müssen, was die konkrete Beeinträchtigung ihres Sondereigentums betrifft. Insoweit können sie allerdings auch nur die Unterlassung der konkreten Beeinträchtigung begehren und nicht die Unterlassung der zweckbestimmungswidrigen Nutzung selbst. Dies kann allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Nach wie vor wird der Gerichtsstand des § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG n. F. weiterhin für Klagen der Wohnungseigentümer untereinander maßgeblich sein auf

  • Duldung unter den Voraussetzungen von § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG n. F.;
  • Schadensersatz wegen Beschädigung des Sondereigentums;
  • Unterlassung bzw. Widerruf von getätigten Äußerungen in der Wohnungseigentümerversammlung, wobei ein Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer bestehen muss.[2]
  • Störungen anderer Wohnungseigentümer mit Auswirkung auf das Sondereigentum. Wird ein Wohnungseigentümer durch das Verhalten eines anderen Wohnungseigentümers beeinträchtigt, indem z. B. dessen Zigarettenrauch in sein Sondereigentum eindringt, stehen ihm ungeachtet der Vorschriften der § 9a Abs. 2 WEG n. F. i. V. m. § 1004 Abs. 1 BGB, § 14 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 WEG individuelle Unterlassungsansprüche gegen den "störenden" Wohnungseigentümer zu. Er ist mithin aktivlegitimiert für eine entsprechende Klage. Raucht der "störende" Wohnungseigentümer allerdings auch im gemeinschaftlichen Trep...

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