Alexander C. Blankenstein
Bei der Abnahme im Rahmen eines Bauvertrags gelten zunächst die allgemeinen Regeln für Werkverträge (siehe Kap. B.II.3.2). Speziell für den Bauvertrag regelt § 650g BGB die sog. "Zustandsfeststellung".
4.4.1 Teilabnahme
Insbesondere bei umfangreichen Baumaßnahmen, die mehrere Gewerke betreffen, können Teilabnahmen an Bedeutung gewinnen. Wegen der gravierenden Folgen einer Teilabnahme muss diese jedoch zwischen Besteller und Unternehmer vereinbart werden. Denn eine Teilabnahme steht in ihren Rechtsfolgen (u. a. Umkehr der Beweislast, Beginn der Verjährung, Fälligkeit der Vergütung) einer Gesamtabnahme gleich. Zwar kann die Teilabnahme auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten des Auftraggebers, erfolgen. Allerdings genügt es hierfür nicht, dass der Besteller Nachfolgegewerke beauftragt. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund der weiteren Bauausführung etwa durch Drittunternehmer Teile der Leistung des Unternehmers nicht mehr überprüft werden können.
Verweigert der Besteller die Teilabnahme, kann der Unternehmer auf eine gemeinsame Zustandsfeststellung bestehen.
4.4.2 Zustandsfeststellung
4.4.2.1 Grundsätze
Verweigert der Besteller die Abnahme unter Angabe von Mängeln, hat er auf Verlangen des Unternehmers an einer gemeinsamen Feststellung des Zustands des Werks mitzuwirken. Die Zustandsfeststellung soll möglichen Streit zwischen Besteller und Unternehmer über den Zustand des Werks vermeiden, wenn der Besteller das Werk bereits in Gebrauch genommen hat. Gerade bei einer späteren Abnahme entstehen jedenfalls Unsicherheiten darüber, ob dann festgestellte Mängel aus dem Verantwortungsbereich des Bestellers oder dem des Unternehmers stammen. Insoweit ist die Zustandsfeststellung auch für den Fall von Bedeutung, dass sich Unternehmer und Besteller einig darüber sind, dass das Bauwerk noch nicht abnahmereif ist.
Zustandsfeststellung bedeutet nicht Abnahme
Die Zustandsfeststellung ersetzt nicht die Abnahme und hat auch keine sonstigen Ausschlusswirkungen. Sie dient lediglich der Dokumentation des Zustands des Werks. Hiermit soll späterem Streit vorgebeugt werden. Allerdings wird die Gefahrtragung insoweit modifiziert, als die Ursache später auftretender Mängel als aus dem Verantwortungsbereich des Bestellers stammend vermutet wird.
Die Zustandsfeststellung ist zu datieren und von den beiden Parteien des Bauvertrags zu unterzeichnen.
Der Termin zur Zustandsfeststellung kann zwischen den Bauvertragsparteien vereinbart, kann aber auch einseitig vom Unternehmer festgesetzt werden. Hierbei muss er eine angemessene Frist wahren zwischen dem von ihm festgesetzten Termin zur Zustandsfeststellung und dem Zugang seines Verlangens beim Besteller. Welche Frist angemessen ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. In Anlehnung an die Praxis zur fiktiven Abnahme dürfte wohl auch hier ein Zeitraum von 12 Tagen angemessen sein (siehe Kap. B.II.3.2.3.6).
4.4.2.2 Keine Einigung über den Zustand
In der Praxis kommt es häufig vor, dass sich Besteller und Unternehmer im Rahmen der gemeinsamen Zustandsfeststellung nicht über den Zustand des Werks einigen können. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass die Zustandsfeststellung überhaupt nur dann im Raum steht, wenn der Besteller die Abnahme verweigert hat oder einem vom Unternehmer festgesetzten Termin zur Abnahme unentschuldigt ferngeblieben ist.
Verweigert der Besteller seine Unterschrift unter die Zustandsfeststellung, weil er den protokollierten Zustand nicht anzuerkennen gedenkt, kann der Unternehmer keine einseitige Zustandsfeststellung dokumentieren. In diesem Fall ist er vielmehr gezwungen, den Zustand seiner Werkleistung durch ein selbstständiges Beweisverfahren nach den Vorschriften der §§ 485 ff. ZPO durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen feststellen zu lassen.
4.4.2.3 Besteller nimmt nicht teil
Für den Fall, dass der Besteller an der Zustandsfeststellung nicht teilnimmt, kann der Unternehmer die Zustandsfeststellung einseitig vornehmen. Allerdings gilt dies nicht, wenn der Besteller dem Termin unverschuldet fernbleibt. Der Besteller muss aber den Unternehmer hierüber unverzüglich unterrichten. Ist der Besteller dem Termin verschuldet ferngeblieben, nimmt der Unternehmer die Zustandsfeststellung also alleine vor. Für den Besteller besteht insoweit die Gefahr, dass der Unternehmer letztlich bestehende Mängel nicht dokumentiert, um den Besteller zu benachteiligen.
4.4.2.4 Rechtsfolgen
Egal, ob die Zustandsfeststellung gemeinsam oder einseitig durch den Unternehmer erfolgt ist, ihre Rechtswirkungen sind in beiden Fällen gleich: Entsprechend ihrem Zweck soll die Zustandsfeststellung den Unternehmer davor schützen, für Mängel einstehen zu müssen, die nicht aus seiner Sphäre stammen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf offenkundige Mängel, die unschwer lokalisiert werden können.
Sind offenkundige Mängel in der Zustandsfeststellung nicht aufgeführt, wird zulasten des Bestellers vermutet, dass diese aus seiner Sphäre stammen. Dieser Vermutung kann der Besteller erfolgreich stets dann begegnen, wenn der Mangel seiner Art nach nicht vom Besteller verursacht worden sein kann.