Alexander C. Blankenstein
In der Praxis spielen Befreiungen nach § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GEG wegen einer unbilligen Härte eine wesentlich größere Rolle als solche nach § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GEG. Jedenfalls kann von den Anforderungen des GEG dann eine Befreiung erteilt werden, wenn die Anforderungen im Einzelfall wegen besonderer Umstände zu einer unbilligen Härte führen. "Geschrieben" stellt der Gesetzgeber in erster Linie auf Wirtschaftlichkeits- bzw. Amortisationsaspekte ab. "Ungeschrieben" sind im Rahmen der Beurteilung des Vorliegens einer unbilligen Härte wohl nicht subjektive Elemente, wie etwa gänzlich finanzielles Unvermögen, zu berücksichtigen. Für Bezieher einkommensabhängiger Sozialleistungen enthält § 102 Abs. 5 GEG Sonderregelungen (siehe unten Kap. 3.3).
3.2.1 Kostenamortisation
Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 GEG liegt eine unbillige Härte insbesondere vor, "wenn die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer, bei Anforderungen an bestehende Gebäude nicht innerhalb angemessener Frist durch die eintretenden Einsparungen erwirtschaftet werden können". Die erforderlichen Investitionen müssen also in einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag stehen. Hierbei ist auf eine subjektive Betrachtung abzustellen, bei der es zu einer Abwägung auch anderer Aspekte wie zum Beispiel der finanziellen Situation des Betroffenen kommt. Gebäude sollen nicht zur gänzlich unrentablen Belastung werden. Hiermit kommt aber auch ein strenger Prüfungsmaßstab zum Ausdruck, sodass Schulden allgemein wohl irrelevant sind, vielmehr gebäudebezogene finanzielle Schwierigkeiten vorliegen müssen.
Umstände des Einzelfalls
Stets maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, welche Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Finanzierungs-, Unterstützungs- und Beratungsangeboten existieren.
Einrichtungen der sozialen, kulturellen oder sonstigen Daseinsvorsorge
Ungeachtet dessen, dass die Vorschrift des § 102 GEG auch auf juristische Personen anzuwenden ist, kann eine unbillige Härte auch für Einrichtungen der sozialen, kulturellen oder sonstigen Daseinsvorsorge entstehen. Betroffen sind in erster Linie
- Krankenhäuser,
- Pflege-, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen,
- Kindertagesstätten oder eine andere Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe,
- Frauenhäuser,
- Einrichtungen, die dem ehrenamtlichen Vereins- und Sportwesen dienen oder von der freiwilligen Feuerwehr, als Bürgerhäuser oder Vereinsheime genutzt werden.
Hier kann eine unbillige Härte dann vorliegen, wenn die erforderlichen Investitionen zur Vorgabenerfüllung nach GEG eine unverhältnismäßige Belastung darstellen würden, die zu Einschränkungen der gesetzlichen Leistungen führen könnten oder die Aufrechterhaltung des Betriebs der betroffenen Einrichtung gefährden würden.
3.2.2 Gebäudewert
Weiter liegt nach § 102 Abs. 1 Satz 3 GEG eine unbillige Härte vor, wenn die notwendigen Investitionen nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Gebäudes stehen. Hierbei sind unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Ziele die zur Erreichung dieser Ziele erwartbaren Preisentwicklungen für Energie einschließlich der Preise für Treibhausgase nach dem europäischen und dem nationalen Emissionshandel zu berücksichtigen.
3.2.3 Besondere persönliche Umstände
Schließlich liegt nach § 102 Abs. 1 Satz 5 GEG eine unbillige Härte auch vor, wenn aufgrund besonderer persönlicher Umstände die Erfüllung der Anforderungen des GEG nicht zumutbar ist. Als besondere persönliche Umstände führt die Gesetzesbegründung Pflegebedürftigkeit oder Schwerbehinderung an. Hierdurch wird deutlich, dass zu den besonderen persönlichen Umständen nicht etwa auch eine finanzielle Überforderung gehört, so diese nicht gebäudebezogen ist.
Keine Anwendung auf Energieausweise
§ 102 Abs. 2 GEG stellt ausdrücklich klar, dass die Befreiungsmöglichkeit nach § 102 Abs. 1 GEG nicht auf den 5. Teil des Gesetzes anzuwenden ist, also auf die Verpflichtungen rund um den Energieausweis. Die dort geregelten Pflichten unterliegen nicht der Schranke der Kosteneffizienz und dementsprechend auch nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 5 Abs. 1 GEG.