Leitsatz

Wird eine Vielzahl von Pflegebedürftigen und demenzkranken Menschen mit dauerhaft zu erwartender wechselnder Belegung in einer Wohnung untergebracht, wird die Wohnung nicht zu Wohnzwecken genutzt.

Normenkette

§ 12 WEG

Das Problem

Bei der Wohnungseigentumsanlage handelt es sich um ein Wohnhaus, in dem es nur Wohnungseigentum gibt. Die Wohnungen dürfen nur zu Wohnzwecken genutzt werden. Der Verwalter muss jeder Nutzungsänderung und auch einer Veräußerung zustimmen. Wohnungseigentümer K veräußert seine 3 Wohnungen an eine KG und bittet den Verwalter um Zustimmung. Da sich der Verwalter nicht sicher ist, ob er diese erteilen kann, trägt er die Frage in die Versammlung. Dort kommt ein positiver Beschluss nicht zustande. Die Wohnungseigentümer stoßen sich nämlich an der Benutzung der Wohnungen. Denn der Erwerber X, der die Wohnungen im Vorgriff bereits benutzt, will in den Wohnungen Wohngemeinschaften für pflegebedürftige und demenzkranke Menschen mit 24-Stunden-Betreuung etablieren. Dazu wurden die Wohnungen in viele kleine Zimmer aufgeteilt. Diese hat X bereits an ältere Menschen untervermietet. Diese haben mit einer darauf spezialisierten Dienstleistungsgesellschaft einen Vertrag geschlossen. Danach sind beim "Früh- und Spätdienst" 2 Pflegekräfte vor Ort. Nachts bleibt 1 Mitarbeiter in der Wohngemeinschaft. Wohnungseigentümer K geht gegen den Negativbeschluss vor.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! X beabsichtige die Wohnungen nicht zu Wohnzwecken zu benutzen. Zwar sei die (Intensiv-)Pflege eines Menschen in den eigenen 4 Wänden bis zu seinem Lebensende als ein Wohnen zu verstehen (AG Köln, Urteil v. 31.7.2012, 202 C 1/12; AG Erfurt, Urteil v. 27.6.2018, 5 C (WEG) 17/14). Anders liege es aber, wenn – wie im Fall – eine Vielzahl von Pflegebedürftigen und demenzkranken Menschen mit dauerhaft zu erwartender wechselnder Belegung in einer Wohnung untergebracht werden solle, insbesondere dann, wenn sich daraus voraussichtlich solche Beeinträchtigungen ergeben würden, die den Betrieb einer Krankenstation nahekämen. § 4 Wohnteilhabegesetz ändere daran nichts. Eine Pflege-Wohngemeinschaft in dem dortigen Sinne sei nicht erkennbar. Denn im Fall seien der Vertrag über die Wohnraumüberlassung und der Vertrag über die Erbringung der Pflege- und Betreuungsleistungen tatsächlich in ihrem Bestand voneinander abhängig.

Problemüberblick

Im Fall geht es darum, wann man eine Wohnung bewohnt und wann die Pflege von alten Menschen ein "Wohnen" ist. Dies muss man klären, da man im Sondereigentum eines Wohnungseigentumsrechts nur wohnen darf.

Altenpflege

Im Bereich der Altenpflege, geht es u. a. um die Frage, ab wann Pflege- und Dienstleistungen für eine Vielzahl von Menschen Einrichtungen zu einem Heim machen, und daher in einer Wohnung unzulässig sind. Ausgangspunkt ist, wie es das AG auch ausführt, dass die Intensivpflege eines Menschen in seinen eigenen 4 Wänden – auch wenn sie besonders personal- und pflegeintensiv ist – zu einer normalen Wohnnutzung gehört. Ebenso kann bei betreutem Wohnen, bei ambulant betreuten Wohngemeinschaften oder betreuten Wohngruppen der Wohnzweck (noch) im Vordergrund stehen (BGH, Urteil v. 27.10.2017, V ZR 193/16, Rn. 20). Nicht zu Wohnzwecken dient dagegen eine Nutzung durch Einrichtungen, die in 1. Linie Pflege- und Betreuungscharakter haben und die deshalb durch die hierfür erforderlichen Pflege- und Dienstleistungen geprägt werden (BGH s. o.). Dies wird vor allem bei stationären Pflegeeinrichtungen, aber auch bei ausgelagerten Pflegestationen in Betracht kommen (BGH s. o.). Ähnliche Fragen stellen sich im Bereich der Jugendhilfe. Während ein Heim für Kinder und Jugendliche in der Regel nicht mehr Wohnzwecken dienen wird, kann bei einer sonstigen betreuten Wohnform jedenfalls ein auf gewisse Dauer angelegtes familienähnliches Zusammenwohnen von Kindern und Jugendlichen mit Betreuern, das dem Zusammenleben in einer Pflegefamilie angenähert ist, als Wohnnutzung anzusehen sein (BGH s. o.).

Veräußerungszustimmung

Im Fall war sich der Verwalter im Übrigen nicht sicher, ob er die von K verlangte Veräußerungszustimmung erteilen kann. In solchen Fällen soll es nach h. M. möglich sein, einen Beschluss der Wohnungseigentümer herbeizuführen. Kommt es – wie im Fall – dazu, ist die Klage auf Zustimmung jedenfalls gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Der Sache nach dürfte es sich um eine Beschlussersetzungsklage handeln.

Entscheidung

AG Schöneberg, Urteil v. 7.7.2021, 76/20

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge