Nachgehend

BGH (Beschluss vom 21.06.2012; Aktenzeichen IX ZB 287/11)

 

Tenor

In dem Insolvenzeröffnungsverfahren

wird der Eröffnungsantrag des Gläubigers vom 04.04.2011 als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Gläubigerin.

 

Gründe

Der Eröffnungsantrag ist unzulässig, weil die deutschen Gerichte international unzuständig sind.

International zuständig sind in erster Linie die Gerichte desjenigen Staates, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO).

Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis - und zwar bis zum Vollbeweis - des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist (Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO). Im vorliegenden Fall befindet sich der satzungsmäßige Sitz der Schuldnerin in Palma de Mallorca, so dass bis zum Beweis des Gegenteils die Vermutung gilt, der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen befinde sich dort. Das Gegenteil steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Weder die Belegenheit eines Vermögensgegenstandes in Deutschland als solche noch allein z.B. der Umstand, dass eine Gesellschafterversammlung am Wohnsitz des Geschäftsführers stattfand, reichen dafür aus. Ob und in welchem Umfang auch in Spanien wirtschaftliche Tätigkeiten entfaltet wurden, bleibt im Dunkeln, auch die antragstellende Gläubigerin kann hier letztlich nur Vermutungen anstellen.

Vor allem aber dürfte davon auszugehen sein, dass die Schuldnerin ihre Tätigkeit schon vor Antragstellung, nämlich spätestens mit dem Tod des Geschäftsführers und Minderheitsgesellschafters S. jedenfalls in Deutschland, vermutlich sogar insgesamt, eingestellt hat. Das entspricht dem eigenen Vortrag der antragstellenden Gläubigerin, dafür spricht auch, dass offenbar nicht einmal der Mehrheitsgesellschafter auch nur weiß, wie er Kontakt zur Schuldnerin aufnehmen kann. Ist aber die Geschäftstätigkeit eingestellt, kann es im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 EuInsVO ebenso wie bei rein nationalen Zuständigkeitsfragen nach § 3 Abs. 1 InsO nur noch auf den allgemeinen, durch den satzungsmäßigen Sitz bestimmten Gerichtsstand ankommen. Denn jedenfalls wenn die inländische (hier deutsche) Geschäftstätigkeit eingestellt ist, kann der Beweis nicht (mehr) gelingen, hier lägen die hauptsächlichen Interessen.

B.

Partikularverfahren

Sind die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Hauptverfahrens im Inland nicht gegeben, so kann ein Insolvenzverfahren unter den Voraussetzungen der Artikel 3 Abs. 2 und 4 EuInsVO als Sekundärverfahren oder unabhängiges Partikularverfahren eröffnet werden. Dies hat die antragstellende Gläubigerin zwar beantragt, auch insoweit liegen die Vorausetzungen jedoch nicht vor. Denn Voraussetzung für ein solches Verfahren wäre das Bestehen einer Niederlassung in Deutschland, wobei auch insoweit zeitlich abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Antragstellung. Der Begriff der Niederlassung wird in Art. 2 lit. h EuInsVO legal definiert. Danach bedeutet Niederlassung jeden Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt. Einsatz von Personal und Vermögenswerten müssen kumulativ vorliegen, so dass allein die bloße Vermögensbelegenheit in einem Mitgliedsstaat nicht ausreicht. Über Personal in Deutschland aber verfügt die Schuldnerin jedenfalls seit dem Tod ihres Geschäftsführers nicht mehr. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung bestand somit keine Niederlassung in Deutschland (mehr).

Die bloße Eintragung einer Niederlassung im deutschen Handelsregister genügt den Anforderungen des Art 2 lit. h EuInsVO nicht.

Wegen der Einzelheiten wird ergänzend auf die Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 30.05.2011 Bezug genommen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3955532

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