Leitsatz (amtlich)

Die Regelung über die Gewährung der Wiedereinsetzung auch ohne Antrag in § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO enthält einen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beachten ist.

 

Normenkette

FGG § 22 Abs. 2; ZPO § 236 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Ansbach (Aktenzeichen 4 T 118/02)

AG Ansbach (Aktenzeichen XVII 25/00)

 

Tenor

Die sofortigen weiteren Beschwerden der Beteiligten gegen den Beschluss des LG Ansbach vom 5.8.2002 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass deren Erstbeschwerden gegen den Beschluss des AG Ansbach, Zweigstelle Dinkelsbühl, vom 23.11.2001 als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Gründe

I. Am 5.7.1999 bestellte das AG die Beteiligten, die Eltern der Betroffenen, zu deren Betreuern mit dem Aufgabenkreis alle Angelegenheiten. Mit Beschluss vom 23.11.2001 entließ das AG die Beteiligten gegen ihren Willen als Betreuer und bestellte an ihrer Stelle eine ehrenamtliche Betreuerin. Die Rechtsmittelbelehrung dieses Beschlusses lautet: „Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig”. Gegen diesen ihnen am 24.11.2002 zugestellten Beschluss legten die Beteiligten am 19.2.2002 Beschwerden ein. Diese verwarf das LG am 5.8.2002. Hiergegen wenden sich die Rechtsmittel der Beteiligten.

II. Die sofortigen weiteren Beschwerden sind zulässig, führen aber nur zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der Beschwerdeentscheidung.

1. Das LG hat seine Entscheidung begründet wie folgt:

Die Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) seien als sofortige Beschwerden nach § 69g Abs. 4 Nr. 3 FGG zu behandeln. Die für die sofortige Beschwerde gültige Beschwerdefrist von zwei Wochen sei bereits am 7.12.2001 abgelaufen gewesen. Der Eingang der Rechtsmittel am 19.2.2002 sei demnach verspätet.

Die sofortigen Beschwerden hätten auch in der Sache keinen Erfolg haben können. Das Erstgericht habe die beiden Betreuer zu Recht entlassen, weil wichtige Gründe für ihre Entlassung beständen.

Es beständen angesichts der erheblichen Sprachprobleme der beiden Betreuer bereits Zweifel, ob diese ursprünglich geeignet gewesen seien, die Rechtsbetreuung für ihre Tochter zu übernehmen. Beide seien kaum in der Lage, mit den Behörden zu kommunizieren. Zudem seien beide Betreuer häufig während der Betreuungszeit in der Türkei aufhältlich und für Behörden, insb. die Heimleitung des Kinder- und Pflegeheims, in dem sich die Betroffene aufhält, nicht erreichbar.

Des Weiteren hätten die beiden Betreuer das Vermögen ihrer Tochter nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit verwaltet. Das Kinder- und Pflegeheim, in dem die Betroffene wohne, habe dargelegt, dass seit April 2000 das erforderliche Taschengeld i.H.v. 81,80 Euro nicht bezahlt werde. Den Beschwerdeführern sei bekannt, dass sie dieses Geld auf ein Konto des Heims hätten einzahlen müssen, dies sei bislang vollständig unterblieben. Zudem sei nicht geklärt, wohin das monatliche Blindengeld für die Tochter i.H.v. 278,14 Euro geflossen sei. Die Behauptung der beiden Beschwerdeführer, sie hätten das Blindengeld zinsbringend für ihre Tochter bei der Sparkasse I. angelegt, sei nicht hinreichend belegt worden. Die Beschwerdeführer hätten zwei Sparbücher vorgelegt, mit Guthaben i.H.v. 10 DM und 525,50 Euro. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wofür die blinde und verständigungsunfähige Betreute einen Pkw brauchen sollte, den ihr die beiden Beteiligten zu einem Betrag von 6.000 DM am 10.5.2001 gekauft hätten. Die Betreute werde angesichts ihres Gesundheitszustandes das Fahrzeug zu keinem Zeitpunkt nutzen können.

2. Die Entscheidung erweist sich i.E. als richtig, allerdings hätte das LG die Rechtsmittel nicht verwerfen dürfen, sondern sie als unbegründet zurückweisen müssen.

a) Die Ausführungen in der Beschwerdeentscheidung zur Unzulässigkeit der Erstbeschwerden treffen allerdings nicht zu. Die Erstbeschwerden sind zulässig, da den Beteiligten gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

aa) Zutreffend geht die Kammer zwar davon aus, dass gegen Entscheidungen, durch die ein Betreuer gegen seinen Willen entlassen wurde, die sofortige Beschwerde stattfindet (§ 69g Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FGG).

Auch ist die Auffassung der Kammer richtig, dass die Frist von zwei Wochen zur Einlegung der sofortigen Beschwerde (§ 22 Abs. 1 S. 1 FGG) abgelaufen ist. Den Beteiligten und der Betreuerin wurde der Beschluss des AG am 24.11.2001 zugestellt. Damit wurde die Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt (§ 69f Abs. 4 S. 2, § 16 Abs. 2 FGG). Die sofortigen weiteren Beschwerden wurden erst am 19.2.2002 eingelegt.

Der Fristversäumung steht nicht entgegen, dass der Beschluss des AG keine zutreffende Rechtsmittelbelehrung enthält. Eine solche ist im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich nicht erforderlich (BayObLG BayObLGZ 1999, 232 m.w.N.). Daraus folgt, dass der Beginn des Laufes der Rechtsmittelfrist keine Rechtsmittelbelehrung voraussetzt. Ob etwas anderes gilt, nämlich der Lauf der F...

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