Leitsatz (amtlich)

Die Ausschlussfrist des § 2 VBVG zur Geltendmachung der Betreuervergütung beginnt für den Anspruch auf pauschale Vergütung zu dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch gem. § 9 VBVG erstmals geltend gemacht werden kann.

 

Normenkette

BGB §§ 1908i, 1836 Abs. 1 S. 3; VBVG §§ 2, 5, 9

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Beschluss vom 23.12.2011; Aktenzeichen 3 T 652/11)

AG Eschwege (Beschluss vom 28.07.2011; Aktenzeichen 10A XVII 281/04)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Kassel vom 23.12.2011 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 418 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Betreuerin), die 2002 zur Berufsbetreuerin der Betroffenen bestellt wurde, verlangt für die Zeit vom 1.1.2010 bis zum 31.3.2011 Bewilligung ihrer Vergütung aus der Staatskasse.

Rz. 2

Die Betroffene verfügte aufgrund einer Erbschaft seit dem Jahr 2004 über ein Vermögen von ca. 24.000 EUR. Seitdem entnahm die Betreuerin nach Festsetzung durch das Betreuungsgericht ihre Vergütung, die sie seit Juli 2005 nach Kalenderquartalen abgerechnet hatte, jeweils aus dem Vermögen der Betroffenen. Nachdem der Landkreis von der Betroffenen mit Bescheid vom 18.4.2011 die Rückzahlung zu Unrecht erhaltener Sozialleistungen gefordert hatte und die Betroffene daraufhin nicht mehr über von ihr gem. § 1836c BGB i.V.m. § 90 SGB XII einzusetzendes Vermögen verfügte, richtete die Betreuerin ihren am 23.5.2011 bei dem AG eingegangenen Vergütungsantrag i.H.v. 1.650 EUR für die Zeit vom 1.1.2010 bis zum 31.3.2011 gegen die Staatskasse. Dabei ging sie davon aus, dass die Betroffene im Vergütungszeitraum vermögend war und in einem Heim lebte.

Rz. 3

Das AG hat die Vergütung auf 1.232 EUR festgesetzt. Auf die Beschwerde der Betreuerin hat das LG den Beschluss abgeändert und die von der Staatskasse zu erstattende Vergütung, wie beantragt, auf 1.650 EUR festgesetzt.

Rz. 4

Mit der vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Staatskasse) die Wiederherstellung des Beschlusses des AG.

II.

Rz. 5

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 70 Abs. 1 FamFG), und auch im Übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Rz. 6

1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Betreuerin stehe für den gesamten geltend gemachten Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum 31.3.2011 der beantragte Stundenansatz von monatlich 2,5 Stunden gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VBVG zu. Die in einem Heim lebende Betroffene sei seit Erhalt ihrer Erbschaft im Jahr 2004 bis zur Rückzahlung des von dem Sozialhilfeträger verlangten Betrages von ca. 11.000 EUR im April 2011 vermögend gewesen. Die später eingetretene Mittellosigkeit der Betroffenen wirke sich nicht auf die Höhe der Vergütung aus. Der Betreuerin könne nicht vorgeworfen werden, dass sie den zur Rückzahlung geltend gemachten Betrag nicht schon früher an den Sozialleistungsträger erstattet habe. Es sei davon auszugehen, dass sie diesem bereits im Jahr 2004 die Erbschaft mitgeteilt habe.

Rz. 7

Der Vergütungsanspruch sei auch nicht gem. § 2 VBVG teilweise ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht der Staatskasse beginne die Fünfzehn-Monatsfrist des § 2 VBVG erst mit Ablauf des Drei-Monats-Zeitraums des § 9 VBVG.

Rz. 8

Da die Betroffene unstreitig über kein einzusetzendes Einkommen oder Vermögen mehr verfüge, sei die Staatskasse Vergütungsschuldnerin.

Rz. 9

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.

Rz. 10

a) Entgegen der Ansicht der Staatskasse war die Beschwerde gegen den Beschluss des AG nicht wegen fehlender Bestimmtheit des Anfechtungsumfangs unzulässig. Aus der Beschwerde ergab sich, dass die Betreuerin den Beschluss des AG anfechten wollte, soweit ihr Vergütungsantrag keinen Erfolg hatte. Es bedurfte insoweit keiner Beschwerdebegründung (vgl. Keidel/Sternal FamFG 17. Aufl., § 65 Rz. 3).

Rz. 11

b) Zu Recht ist das Beschwerdegericht auch davon ausgegangen, dass die Betroffene im geltend gemachten Vergütungszeitraum vom 1.1.2010 bis zum 31.3.2011 vermögend war und der Betreuerin deshalb gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VBVG der geltend gemachte Stundenansatz von 2,5 Stunden pro Monat zusteht.

Rz. 12

aa) Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VBVG ist der dem Betreuer zu vergütende Zeitaufwand nach zwölf Monaten der Betreuung, wenn der Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heim hat und vermögend ist, mit zweieinhalb Stunden und bei dessen Mittellosigkeit gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VBVG mit zwei Stunden anzusetzen. Als mittellos gilt ein Betreuter, der die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten oder nur im Wege gerichtlicher Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufbringen kann (§§ 1908i Abs. 1, 1836d BGB).

Rz. 13

Danach kommt es, entsprechend dem Zweck der sozialhilferechtlichen Leistungen, einer tatsächlichen Notlage abzuhelfen bzw. einen tatsächlichen Bedarf abzudecken, auf die tatsächlich vorhandenen und verwertbaren Vermögenswerte an. Dabei ist grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, ob den vorhandenen Vermögenswerten Schulden oder Verpflichtungen des Hilfebedürftigen gegenüberstehen (Senatsbeschluss v. 6.2.2013 - XII ZB 582/12 - juris Rz. 13; BVerwG Beschl. v. 21.4.1988 - 5 B 2/88 - juris Rz. 2).

Rz. 14

bb) Die Betroffene verfügte in dem Zeitraum, für den die Betreuerin Vergütung verlangt, über nach § 1836c BGB i.V.m. § 90 SGB XII einzusetzendes Vermögen aus einer Erbschaft als Aktivvermögen. Allein der Umstand, dass die Betroffene in der Vergangenheit Sozialhilfeleistungen erhalten hat, rechtfertigt es nicht, diese Leistungen vermögensmindernd zu berücksichtigen. Hierfür bedarf es zumindest einer Konkretisierung der Rückforderung durch Leistungsbescheid oder Überleitungsanzeige (Senatsbeschluss v. 6.2.2013 - XII ZB 582/12 - juris Rz. 15 m.w.N.). Ein solcher Leistungsbescheid ist erst am 18.4.2011 und somit nach Ablauf des Zeitraums, für den die Betreuerin Vergütung verlangt, ergangen.

Rz. 15

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann hier auch nicht deshalb von einer Mittellosigkeit der Betroffenen im Vergütungszeitraum ausgegangen werden, weil die Betreuerin hätte wissen müssen, dass der Betroffenen im Hinblick auf ihr Vermögen keine Sozialhilfeleistungen zustanden. Der Einwand greift, unabhängig davon, ob er im Vergütungsfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden kann (vgl. Senatsbeschluss v. 11.4.2012 - XII ZB 459/10, FamRZ 2012, 1051 Rz. 18 ff.), schon deshalb nicht, weil der Betreuerin kein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen werden kann. Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts hat die Betreuerin den Sozialhilfeträger bereits im Jahr 2004 von der Erbschaft in Kenntnis gesetzt. Damit hat sie der ihr gem. § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I obliegenden Mitteilungspflicht genügt.

Rz. 16

c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist der am 23.5.2011 beim AG geltend gemachte Vergütungsanspruch auch nicht für den Monat Januar 2010 gem. § 2 VBVG wegen Ablaufs der Fünfzehn-Monatsfrist erloschen.

Rz. 17

Das Beschwerdegericht ist mit der herrschenden Meinung zu Recht davon ausgegangen, dass die Fünfzehn-Monatsfrist des § 2 VBVG erst nach Ablauf der Drei-Monatsfrist des § 9 VBVG beginnt (OLG Düsseldorf Beschl. v. 12.3.2010 - 25 Wx 82/09 - juris Rz. 10; OLG Brandenburg Beschl. v. 8.6.2009 - 11 Wx 84/08 - juris Rz. 14; KG FamRZ 2009, 456; OLG Köln BtPrax 2009, 80; OLG Dresden FamRZ 2008, 1285; OLG München NJW 2008, 1895; LG Göttingen FamRZ 2008, 92; Wagenitz in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 2 VBVG Rz. 2; Fröschle in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 9 VBVG Rz. 8; Knittel Betreuungsrecht Stand 1.9.2012 § 2 VBVG Rz. 17 ff.; Jurgeleit/Maier Betreuungsrecht 2. Aufl., § 2 VBVG Rz. 2; Deinert/Lütgens Die Vergütung des Betreuers 6. Aufl. Rz. 1724 ff.; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl., § 9 VBVG Rz. 5; Palandt/Götz BGB, 72. Aufl., § 2 VBVG Rz. 7; offen gelassen im Senatsbeschluss v. 28.5.2008 - XII ZB 53/08, FamRZ 2008, 1611 Rz. 32; a.A. OLG Frankfurt FamRZ 2008, 304; Jürgens/Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl., § 2 VBVG Rz. 1).

Rz. 18

aa) Nach § 2 VBVG erlischt der Vergütungsanspruch, wenn er nicht binnen fünfzehn Monaten nach seiner Entstehung beim Gericht geltend gemacht wird. Der pauschale Vergütungsanspruch kann gem. § 9 VBVG frühestens nach Ablauf von jeweils drei Monaten für diesen Zeitraum geltend gemacht werden.

Rz. 19

bb) Aus dem Zweck des § 2 VBVG und dem Zusammenhang mit der Fälligkeitsregelung in § 9 VBVG folgt, dass der pauschale Vergütungsanspruch des Berufsbetreuers i.S.v. § 2 VBVG zu dem Zeitpunkt entsteht, in dem er gem. § 9 VBVG erstmals geltend gemacht werden kann.

Rz. 20

(1) Grundsätzlich entsteht der Vergütungsanspruch zwar mit der vergütungspflichtigen Tätigkeit (Senatsbeschlüsse v. 28.5.2008 - XII ZB 53/08, FamRZ 2008, 1611 Rz. 29; v. 25.1.2012 - XII ZB 461/11, FamRZ 2012, 627 Rz. 15) und kann ab diesem Zeitpunkt auch geltend gemacht werden. Das gilt jedoch nicht für den mit dem zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz zum 1.7.2005 eingeführten pauschalen Vergütungsanspruch des Berufsbetreuers nach § 5 VBVG, der nicht an eine bestimmte Tätigkeit des Betreuers anknüpft, sondern ihm eine von seinem konkreten Arbeitseinsatz losgelöste nur von dem Bestehen der Betreuung abhängige pauschale monatliche Vergütung zubilligt. Dieser Vergütungsanspruch, der anknüpfend an die pauschale monatliche Vergütung frühestens am Ende des jeweiligen Betreuungsmonats entstehen könnte (vgl. Senatsbeschluss v. 28.5.2008 - XII ZB 53/08, FamRZ 2008, 1611 Rz. 30), ist anders als der Vergütungsanspruch nach Zeitaufwand nicht sofort fällig, sondern kann gem. § 9 VBVG erstmals nach Ablauf von jeweils drei Betreuungsmonaten für diesen Zeitraum geltend gemacht werden.

Rz. 21

(2) Zweck der mit § 2 VBVG übernommenen, bis dahin in § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB geregelten, fünfzehnmonatigen Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs ab dessen Entstehung ist es, den Betreuer zur zügigen Geltendmachung seiner Ansprüche anzuhalten, um zu verhindern, dass Ansprüche in einer Höhe auflaufen, die die Leistungsfähigkeit des Betreuten überfordert, dessen Mittellosigkeit begründet und damit eine Eintrittspflicht der Staatskasse auslöst, die bei rechtzeitiger Inanspruchnahme des Betreuten nicht begründet gewesen wäre (BT-Drucks. 13/7158, 23, 27).

Rz. 22

Die Ausschlussfrist knüpft somit daran an, dass der Betreuer es über einen Zeitraum von fünfzehn Monaten versäumt hat, seinen Vergütungsanspruch geltend zu machen. Voraussetzung für die Entstehung des pauschalen Vergütungsanspruchs des Betreuers nach § 2 VBVG ist deshalb, ebenso wie für die den Verjährungsbeginn gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB auslösende Entstehung des Anspruchs, dass der Anspruch geltend gemacht werden kann (für die Verjährung: BGHZ 55, 340 = WM 1971, 385; 73, 363 = NJW 1979, 1550; 79, 176 = NJW 1981, 814; Senatsbeschluss v. 25.1.2012 - XII ZB 461/11, FamRZ 2012, 627 Rz. 14 ff.). Da der pauschale Vergütungsanspruch des Berufsbetreuers gem. § 9 VBVG erst nach Ablauf eines Abrechnungsquartals geltend gemacht werden kann, beginnt die Ausschlussfrist des § 2 VBVG erst nach Ablauf dieses Zeitraums.

Rz. 23

(3) Für diese Auslegung von § 2 VBVG spricht auch das Ziel des Gesetzgebers, mit der Einführung der pauschalen Vergütung ein Abrechnungssystem zu schaffen, das einfach und streitvermeidend ist (BT-Drucks. 15/2494, 31). Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass der Beginn der Ausschlussfrist stets mit dem Ende des jeweiligen Abrechnungsquartals beginnt. Durch den Gleichlauf der Fristen wird vermieden, dass das FamG bei der Berechnung der Vergütung für jeden Betreuungsmonat gesondert überprüfen muss, ob der Anspruch noch besteht.

Rz. 24

d) Danach hat die Betreuerin, die seit Juli 2005 ihre Vergütung nach Kalenderquartalen abgerechnet hat, gem. §§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG einen Anspruch auf Vergütung ihrer Tätigkeit für die Zeit vom 1.1.2010 bis zum 31.3.2011 in Höhe der vom Beschwerdegericht zuerkannten 1.650 EUR (37,5 Stunden x 44 EUR). Da die Betroffene im Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung mittellos war, richtet sich der Anspruch gegen die Staatskasse (vgl. Senatsbeschluss v. 6.2.2013 - XII ZB 582/12 - juris Rz. 18).

 

Fundstellen

Haufe-Index 3706231

EBE/BGH 2013

FamRZ 2013, 871

FuR 2013, 401

NJW-RR 2013, 769

JurBüro 2013, 373

JurBüro 2013, 598

BtPrax 2013, 109

JZ 2013, 353

MDR 2013, 745

NJ 2013, 7

Rpfleger 2013, 387

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