Leitsatz (amtlich)

Zweifel an dem Vorliegen einer Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung bestehen nicht, wenn die Haftanordnung als einstweilige Anordnung überschrieben und/oder ihr Ausspruch als Anordnung im Wege der einstweiligen Anordnung bezeichnet wird. Ob die Entscheidung in dieser Verfahrensart hätte ergehen dürfen, ist für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde unerheblich.

 

Normenkette

FamFG § 70

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Beschluss vom 11.06.2013; Aktenzeichen 5 T 199/13)

AG Saarbrücken (Beschluss vom 08.05.2013; Aktenzeichen 7 XIV 24/13)

 

Tenor

Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von RA Wassermann bewilligt.

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Saarbrücken vom 11.6.2013 wird auf Kosten des Betroffenen als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahren beträgt 1.500 EUR.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Der Betroffene, ein tunesischer Staatsangehöriger, reiste am 8.5.2013 ohne gültige Reisedokumente aus Luxemburg nach Deutschland ein und wurde von Beamten der beteiligten Behörde festgenommen. Eine Abfrage der Behörde in der EURODAC-Datei ergab, dass er Asylanträge in Rumänien und in der Schweiz gestellt hatte, die abgelehnt worden waren. Die beteiligte Behörde verfügte die Zurückschiebung in die Schweiz. Der Betroffene stellte bei dem zuständigen deutschen Bundesamt einen Asylantrag. Dieses erwirkte bei den Schweizer Behörden eine Rücknahmezusage, die am 12.6.2013 vollzogen werden sollte.

Rz. 2

Das AG hat am 8.5.2013 mit einem als einstweilige Anordnung bezeichneten Beschluss die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung gegen den Betroffenen bis zum 18.6.2013 angeordnet. Unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen hat das LG auf die Beschwerde des Betroffenen die Haft aufgehoben, soweit sie für eine Dauer von mehr als drei Wochen angeordnet war, und die sofortige Freilassung des Betroffenen angeordnet. Mit der Rechtsbeschwerde strebt der Betroffene die Feststellung an, dass die Haftanordnung des AG auch in dem aufrechterhaltenen Umfang rechtswidrig war.

II.

Rz. 3

Das Beschwerdegericht hält die Haftanordnung für grundsätzlich rechtmäßig. Ihr habe ein zulässiger Haftantrag zugrunde gelegen. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Haftanordnung hätten auch vorgelegen. Allerdings habe im Wege der einstweiligen Anordnung Sicherungshaft nicht über drei Wochen hinaus angeordnet werden dürfen.

III.

Rz. 4

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist unzulässig, weil sie nach § 70 Abs. 4 FamFG nicht statthaft ist. Nach dieser Vorschrift findet die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht statt. Dazu gehören auch Entscheidungen im Verfahren über einstweilige Anordnungen in Freiheitsentziehungssachen (BGH, Beschlüsse v. 11.11.2010 - V ZB 123/10 juris Rz. 3; v. 3.2.2011 - V ZB 128/10, FGPrax 2011, 148 Rz. 4 f.). Anders als der Betroffene meint, liegt hier eine solche Entscheidung vor.

Rz. 5

1. Richtig ist zwar, dass im Einzelfall zweifelhaft sein kann, ob die Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im regulären Verfahren ergangen ist, etwa dann, wenn der einzige Hinweis auf eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung die Nennung (auch) des § 427 FamFG ist. Solche Zweifel sind dann aufzuklären. Anhaltspunkte für die Qualifikation als Haftanordnung im regulären Verfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende, nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Hafthöchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die beigefügte Rechtsmittelbelehrung (Senat, Beschlüsse v. 12.5.2011 - V ZB 296/10, juris Rz. 8 f. und vom 26.1.2012 - V ZB 96/11, juris Rz. 5).

Rz. 6

2. Derartige Zweifel an dem Vorliegen einer Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung bestehen aber nicht, wenn die Entscheidung als solche bezeichnet ist und/oder ihren Ausspruch mit dem Hinweis auf ein Vorgehen im Wege der einstweiligen Anordnung einleitet. Hieraus folgt eindeutig, dass der Richter nicht im regulären Verfahren, sondern im Wege der einstweiligen Anordnung vorgehen will. Dafür ist es dann ohne Bedeutung, ob sich der Richter mit den Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung näher befasst oder ob er eine Entscheidung getroffen hat, die in dem gewählten Verfahren nicht oder nicht mit dem getroffenen Ausspruch hätte ergehen dürfen.

Rz. 7

3. So liegt es hier. Die Richterin hat ihre Entscheidung als "einstweilige Anordnung" überschrieben. Sie hat den Ausspruch ihrer Entscheidung, der die Hafthöchstdauer nach § 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG von sechs Wochen auch nicht überschreitet, mit den Worten eingeleitet: "... wird im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG folgendes angeordnet: ...". Hinzu kommt, dass sich die Richterin ausweislich des Kopfs der Entscheidung nicht als ordentliche Dezernentin des AG Saarbrücken, sondern als Mitglied des "zentralen Bereitschaftsgerichts für das Saarland" bei dem AG Saarbrücken mit der Sache befasst hat, bei dem der Bereitschaftsdienst für alle AG des Landes durch § 1 der (Landes-) Verordnung über den gemeinsamen Bereitschaftsdienst bei den AG des Saarlandes vom 31.10.2004 (ABl. S. 2286) konzentriert ist, und dass sie ihre Entscheidung in der Nacht des 8.5.2013 getroffen hat.

IV.

Rz. 8

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Rz. 9

2. Dem Betroffenen ist Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, weil der Fall eine Abgrenzungsfrage aufwirft, deren Beantwortung nicht im Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe vorweggenommen werden darf.

 

Fundstellen

Haufe-Index 6447137

FGPrax 2014, 87

JZ 2014, 215

NJ 2014, 4

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