Verfahrensgang

LG Neuruppin (Urteil vom 22.06.2006; Aktenzeichen 3 O 304/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 10.06.2008; Aktenzeichen X ZR 78/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22.6.2006 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Neuruppin (3 O 304/05) abgeändert.

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das LG zurückverwiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Beschwer beider Parteien beträgt 21.964,77 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadenersatz wegen der Nichtberücksichtigung ihres erstplatzierten Angebotes von Bauleistungen nach öffentlicher Ausschreibung in Anspruch.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz nimmt der Senat auf den tatbestandlichen Teil der Gründe des angefochtenen Urteils Bezug. Darin werden insbesondere der Verlauf des Ausschreibungsverfahrens, soweit es das Gebot der Klägerin betrifft, sowie Inhalt und Gestaltung der der Klägerin überlassenen Ausschreibungsunterlagen unbeanstandet wiedergegeben.

Das LG hat die Klage abgewiesen und die Auffassung vertreten, ein Schadenersatzanspruch sei schon dem Grunde nach nicht zu bejahen, da die Klägerin mit ihrem Angebot zu Recht ausgeschlossen worden sei. Dabei hat sich die Kammer im Wesentlichen der Argumentation der Beklagten angeschlossen.

Auch auf die tragenden rechtlichen Erwägungen der Entscheidung erster Instanz wird in diesem Zusammenhang Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie wiederholt und vertieft die Begründung ihres bereits erstinstanzlich eingenommenen Rechtsstandpunktes. Im Einzelnen macht sie geltend:

Das angefochtene Urteil beruhe auf einer Rechtsverletzung. Weder die vom LG angenommenen noch sonstige von der Beklagten auch gar nicht geltend gemachten Angebots-ausschlussgründe lägen vor. Soweit das LG sich auf § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A stütze, sei dies unvollständig. Vermutlich meine die Kammer, die Unvollständigkeit des Angebots ergebe sich aus § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/A.

Die dazu von dem LG angestellten Überlegungen vermengten sich mit den Anschlussüberlegungen der Kammer zur angeblich fehlenden Eignung der Klägerin. Unabhängig davon gehe der Hinweis auf den Ausschlussgrund des § 25 Nr. 1 Abs. 1b i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/A schon deshalb fehl, weil die Klägerin unstreitig die geforderte Nachunternehmererklärung, insbesondere das maßgebliche Formblatt, tatsächlich vorgelegt habe.

Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter erfordere es, dass sich im Zweifel der öffentliche Auftraggeber zuvor darüber Gedanken mache, welche Erklärungen und Nachweise er mit welcher Eindeutigkeit fordere, während damit korrespondierend auf Seite des Bieters im Vergabewettbewerb keine Möglichkeit mehr bestehe, über einzelne Nachweis- und Erklärungspflichten zu disponieren.

Diese aus Wettbewerbsgründen sehr formale Betrachtungsweise führe aber umgekehrt dazu, dass die Erfüllung der entsprechenden Anforderungen ebenfalls rein formal geprüft werde.

Zweifellos habe indessen die Klägerin diesen Anforderungen genügt. Denn die Nachunternehmererklärung sei ausgefüllt und mit dem Angebot fristgemäß vorgelegt worden. Fragen der Unvollständigkeit des Angebotes stellten sich daher in Wahrheit nicht.

Damit rücke die zweite tragende Begründung des angefochtenen Urteils in den Blickpunkt, nämlich dass der Ausschluss des erstplatzierten Angebots wegen fehlender Eignung bzw. wegen fehlender Möglichkeit der Eignungsprüfung ausgeschlossen sei (§ 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A).

Zwar seien die vom LG allgemein zitierten Gesichtspunkte in der Eignungsprüfung zutreffend, sie gingen allerdings an dem vorliegenden Sachverhalt vorbei.

Denn gerade wegen der hochgesteckten formalen Anforderungen der Vollständigkeit der Angebotsunterlagen sei umgekehrt an die Sorgfalt der Vergabestelle bei der Zusammenstellung der Unterlagen ein entsprechend hoher Maßstab anzulegen.

So sei vor dem Ausschluss des bestplatzierten Angebots stets zu prüfen, ob die dazu aufgestellten Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers in den verbindlichen und für den Bieter unausweichlichen Verdingungsunterlagen klar, eindeutig und ohne jeden Auslegungszweifel gewesen seien.

Dies sei entgegen der Auffassung des LG im Streitfall zu verneinen.

Die von der Beklagten mit den Ausschreibungsunterlagen in dem Formblatt "Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen" geforderte Angabe: "vorgesehene Nachunternehmer" sei zumindest doppeldeutig. Hätte die Beklagte, wie sie nunmehr im Prozess geltend mache, bereits mit der Abgabe der Angebote die v e r b i n d l i c h e Nachunternehmerbenennung verlangt, so hätte sie das auch unmissverständlich deutlich machen müssen.

Hinzu komme, dass die Ziff. 6 der Bewerbungsbedingungen diese Auslegung der Klägerin geradezu stütze. Dort heiße es, dass die Nachunternehmer "auf Verlangen" zu benennen seien.

Ergebe sich aber dieses endgültige Verlangen bereits aus dem beigefügten N...

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