Verfahrensgang

LG Braunschweig (Beschluss vom 10.07.2013; Aktenzeichen 50 StVK 512/13)

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

 

Tatbestand

Der strafgefangene Beschwerdeführer wendet sich mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen Anordnungen der zuständigen Justizvollzugsanstalt, mit denen ihm der Bezug von Schreibpapier, die Entgegennahme von Schreiben anderer Gefangener, die Leistung von Schreibhilfe für andere Gefangene sowie die Mitnahme der Schreiben anderer Gefangener in einen Raum, in dem eine speziell für den Beschwerdeführer vorgehaltene elektronische Lese- und Schreibhilfe steht, untersagt wurde.

1. Gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 93, 181 ≪186≫). Dies gilt nicht nur im Hinblick darauf, dass einstweilige Anordnungen des Bundesverfassungsgerichts weittragende Folgen haben können (vgl. BVerfGE 3, 41 ≪44≫; stRspr), sondern auch im Hinblick auf die besondere Funktion und Organisation des Bundesverfassungsgerichts. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 32 BVerfGG ist – anders als der von Art. 19 Abs. 4 GG geprägte vorläufige Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren – nicht darauf angelegt, möglichst lückenlosen vorläufigen Rechtsschutz zu bieten (vgl. BVerfGE 94, 166 ≪216 f.≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. November 1999 – 2 BvR 2039/99 –, NJW 2000, S. 1399 ≪1400≫). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht kommt danach nur unter wesentlich engeren Voraussetzungen in Betracht als die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch die Fachgerichte. Insbesondere sind, wenn eine einstweilige Anordnung zur Abwendung eines geltend gemachten schweren Nachteils erstrebt wird, erheblich strengere Anforderungen an die Schwere des Nachteils zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Februar 2009 – 2 BvQ 7/09 –, juris).

2. Danach ist eine einstweilige Anordnung hier nicht zu erlassen. Zwar ist die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss vom 10. Juli 2013, mit dem das Landgerichts den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat, – ob ganz oder lediglich überwiegend kann in diesem Zusammenhang dahinstehen – weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Die gebotene Abwägung führt jedoch zu dem Ergebnis, dass die begehrte einstweilige Anordnung nicht ergehen kann, weil die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Belange nicht in der erforderlichen Weise deutlich überwiegen.

Ergeht die einstweilige Anordnung nicht, erweist sich die Verfassungsbeschwerde aber später als begründet, muss der Beschwerdeführer für eine gewisse Zeit darauf verzichten, anderen Gefangenen Schreibhilfe zu leisten. Nach der den Maßnahmen offensichtlich zu Grunde liegenden Einschätzung der Justizvollzugsanstalt, die beim gegenwärtigen Verfahrensstand nach den hier maßgeblichen Abwägungsgrundsätzen hypothetisch als zutreffend zu unterstellen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Februar 2011 – 2 BvR 132/11 –, juris; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Februar 2012 – 2 BvR 228/12 –, juris), sind die Maßnahmen jedoch erforderlich, um eine unerlaubte Rechtsberatung durch den Beschwerdeführer zu verhindern. Unter diesen Umständen kann das erforderliche deutliche Überwiegen der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe nicht festgestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Februar 2011 – 2 BvR 132/11 –, juris).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Lübbe-Wolff, Landau, Kessal-Wulf

 

Fundstellen

Dokument-Index HI5086799

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