Verfahrensgang

OVG Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen 1 C 12676/98)

 

Tenor

Das Beschwerdeverfahren wird hinsichtlich der Antragstellerin zu 13 eingestellt, weil sie die Beschwerde zurückgenommen hat.

Die Beschwerde der Antragsteller zu 1 bis 6 und 8 bis 12 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. März 2000 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens entsprechend ihrem Anteil an dem für das Beschwerdeverfahren festgesetzten Gesamtstreitwert; Gerichtskosten sind für das Beschwerdeverfahren der Antragstellerin zu 13 nicht entstanden.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 65 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Antragsteller zu 1 bis 6 und 8 bis 12 ist unbegründet.

I. Die Verfahrensrüge greift nicht durch.

Es kann dahinstehen, ob das Normenkontrollgericht aus den Umständen ersehen konnte, dass nicht nur der Bebauungsplan „Innenstadt I”, sondern auch der im Tatbestand des angefochtenen Urteils erwähnte Bebauungsplan „Innenstadt II” den Gegenstand eines Normenkontrollantrags bildete. Falls die Vorinstanz diesen Antrag im Sinne des § 120 Abs. 1 VwGO übergangen haben sollte, stand den Antragstellern der Weg der Urteilsergänzung offen. Ansonsten eröffnete § 164 ZPO, der nach § 105 VwGO analog auch im Verwaltungsprozess gilt, die Möglichkeit der Protokollberichtigung. Falls die Antragsteller es dagegen, aus welchen Gründen auch immer, unterlassen haben, diesen Antrag zu stellen, hatte das Normenkontrollgericht keinen Anlass, insoweit eine Entscheidung zu treffen.

II. Die Divergenzrügen haben, ihre Zulässigkeit unterstellt, ebenfalls keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern sich das Normenkontrollgericht in Widerspruch zum Beschluss vom 5. Juni 1992 – BVerwG 4 NB 21.92 – (NVwZ 1992, 1093) gesetzt haben könnte, in dem der Senat in Fortführung seiner ständigen Rechtsprechung die Anforderungen an die Abschnittsbildung in der Straßenplanung näher konkretisiert hat. Nach den Feststellungen der Vorinstanz beziehen sich die Bebauungspläne „Innenstadt I” und „Innenstadt II” nicht auf Streckenabschnitte der B 417, die sich aneinander anschließen. Vielmehr ist es das mit den beiden Plänen verfolgte planerische Ziel, die Bundesstraße, die bisher im Wesentlichen im Bereich des „Bebauungsplans II” verlief, in den Bereich des „Bebauungsplans I” zu verlegen. Es liegt auf der Hand, dass sich die vom Senat zur Abschnittsbildung entwickelten Grundsätze auf ein solches Planungsgeschehen nicht ohne weiteres übertragen lassen.

2. Auch die geltend gemachte Abweichung von dem Senatsbeschluss vom 4. Juni 1991 – BVerwG 4 NB 35.89 – (BVerwGE 88, 268) liegt nicht vor. Das Normenkontrollgericht hat nicht in Abrede gestellt, dass ein Normenkontrollantrag in der Sache erfolgreich ist, wenn der Bebauungsplan objektiv an einem Mangel leidet, der zu seiner Ungültigkeit führt. Es hat sich nicht auf die Prüfung beschränkt, ob die Antragsteller durch den von ihnen angegriffenen „Bebauungsplan I” in ihren Rechten verletzt werden. Die Frage nach einer Beeinträchtigung subjektiver Rechtspositionen spielt in seiner Argumentation nur insofern eine Rolle, als es zusätzlich prüft, ob sich die Aufspaltung in zwei Bebauungspläne nachteilig auf die Rechtsverfolgung der Antragsteller auswirken kann.

3. Das Normenkontrollgericht hat keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der in Widerspruch zu der Auffassung steht, die das Bundesverwaltungsgericht u.a. in den Urteilen vom 1. November 1974 – BVerwG 4 C 38.71 – (BVerwGE 47, 144), vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 33-35.83 – (BVerwGE 77, 285), vom 23. April 1997 – BVerwG 11 A 17.96 – (NVwZ 1998, 846) und vom 28. Oktober 1998 – BVerwG 11 A 3.98 – (BVerwGE 107, 350) zum Schutz des Eigentums vor Verkehrslärmimmissionen vertreten hat. Den von der Beschwerde zitierten Entscheidungen ist zu entnehmen, dass nicht nur Gebäude, die dem Wohnen dienen, Schutz vor unzumutbarem Verkehrslärm genießen, sondern auch die Teile der Außenflächen eines Grundstücks, die die Merkmale eines Außenwohnbereichs aufweisen. Diese Rechtsprechung nötigt zu Konsequenzen indes nur dort, wo ein schützenswerter Außenwohnbereich vorhanden ist. Fehlt es hieran, so kann sich der Eigentumsschutz unter Immissionsgesichtspunkten nur darauf beschränken sicherzustellen, dass die Lärmbelastung innerhalb der betroffenen Gebäude das zumutbare Maß nicht überschreitet.

4. Das Normenkontrollgericht ist mit seiner Feststellung, dass die Planung aus verkehrlicher Sicht nicht als ungeeignet eingestuft werden könne, nicht von dem Urteil vom 12. Dezember 1969 – BVerwG 4 C 105.66 – (BVerwGE 34, 301) abgewichen, in dem der Senat dargelegt hat, dass sich die Anforderungen des Abwägungsgebots nicht bloß auf das Abwägungsergebnis, sondern auch auf den Abwägungsvorgang erstrecken und sich auf dieser Stufe in dem Erfordernis äußern, die von der Planung betroffenen Belange zu ermitteln und zu gewichten. Dem ist die Vorinstanz nicht entgegengetreten. Sie nimmt vielmehr auf die vom Senat im Urteil vom 12. Dezember 1969 entwickelten Grundsätze ausdrücklich Bezug (UA S. 15). Auch der Sache nach hat sie es nicht mit der Prüfung bewenden lassen, ob der Ausgleich zwischen den Belangen zur Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Dies wird dadurch belegt, dass sie u.a. der Frage nachgegangen ist, ob der Antragsgegnerin Alternativen zur Verfügung standen, die Verkehrsprognose Anlass zu Beanstandungen gibt, die schalltechnischen Untersuchungen Mängel aufweisen oder sonst „Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Abwägungsgrundlagen” bestehen (UA S. 28).

5. Das Normenkontrollgericht hat auch nicht den vom Senat im Urteil vom 12. Dezember 1969 – BVerwG 4 C 105.66 – (a.a.O.) formulierten Rechtssatz in Frage gestellt, dass in die Abwägung an Belangen einzustellen ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Dahinstehen kann, ob es mit seiner Auffassung, die Nichtberücksichtigung eines Zuschlags von 3 dB(A) im Bereich von Ampelanlagen sei unschädlich, die Reichweite dieses Rechtssatzes verkannt hat. Denn die bloß unrichtige Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Rechtssatzes stellt keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar.

III. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

1. Die Frage, ob „bei Straßenplanungen eine Abschnittsbildung schon dann in Betracht (kommt), wenn praktische planerische Gründe dies rechtfertigen”, würde sich in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen, da die Bebauungspläne „Innenstadt I” und „Innenstadt II” nicht verschiedene Streckenabschnitte ein und desselben Straßenbauvorhabens betreffen.

2. Der Senat hätte auch keine Veranlassung, zur Frage Stellung zu nehmen, ob „bei Planungen im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen die Höhe der ermittelten Außenpegel dann unbeachtlich (ist), wenn jedenfalls Innenpegel gewährleistet werden, die lärmbedingte Kommunikations- oder Schlafstörungen ausschließen”. Auf die von den Antragstellern angesprochene Problematik kommt es nur dann an, wenn auf ein Grundstück Verkehrslärm, der sich in einem Außenpegel messen lässt, überhaupt einwirkt. Hiervon kann keine Rede sein bei Gebäuden, die in geschlossener Bauweise errichtet worden sind und deren vordere Hausfront bis ans Straßengrundstück heranreicht. Treten aufgrund dieser baulichen Verhältnisse Lärmbelästigungen nur im Gebäudeinnern auf, so richtet sich die Zumutbarkeit nicht nach der Höhe der Außenpegel, sondern danach, ob sich mit Hilfe von Maßnahmen des passiven Schallschutzes Innenpegel gewährleisten lassen, die den rechtlichen Anforderungen genügen.

3. Die Frage, ob „ein planerisches Provisorium das Gebot gerechter Abwägung im Sinne von § 1 Abs. 6 BauGB erst dann (verletzt), wenn es ungeeignet ist”, rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil in der Rechtsprechung des Senats geklärt ist, welche grundsätzlichen Anforderungen sich aus dem Abwägungsgebot ergeben. Ob den rechtlichen Vorgaben des § 1 Abs. 6 BauGB in der konkreten Planungssituation Rechnung getragen worden ist, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Im Übrigen trifft es nicht zu, dass die Vorinstanz die Abwägungsproblematik auf die Frage verengt hat, ob die Planung als solche ein geeignetes Mittel ist, um das mit ihr verfolgte Ziel der städtebaulichen Aufwertung des historischen Stadtkerns zu erreichen. Die Eignung spricht das Normenkontrollgericht nicht als allgemeines Abwägungskriterium, sondern lediglich im Zusammenhang mit dem von den Antragstellern angesprochenen Teilaspekt an, ob sich „die geplante Verkehrsführung unter Gesichtspunkten der Abwicklung des Verkehrs und des Verkehrsflusses beanstanden” lässt (UA S. 34).

4. Auch die Frage, ob „Fehler eines zugrunde gelegten Gutachtens für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB unbeachtlich (sind), wenn sie in einem nachfolgenden Verfahren – etwa zur Erlangung von passivem Schallschutz oder einer Entschädigung gemäß § 42 BImSchG – ausgeglichen werden”, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Im Bereich der Gewährung passiven Lärmschutzes im Rahmen des Verkehrswegebaus kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die engen Voraussetzungen vorliegen, von denen der Senat eine Verlagerung von Problemlösungen aus dem Bauleitplanverfahren auf nachfolgende Verwaltungshandlungen abhängig macht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Februar 1984 – BVerwG 4 B 181.83 – BVerwGE 69, 30, vom 28. August 1987 – BVerwG 4 N 1.86 – NVwZ 1988, 351 und vom 14. Juli 1994 – BVerwG 4 NB 25.94 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 75). Denn der Gesetzgeber geht selbst von einem zweistufigen Verfahren aus. § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB eröffnet die Möglichkeit, im Bebauungsplan zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen bauliche und sonstige technische Vorkehrungen festzusetzen. Hierunter fallen auch der Einbau von Schallschutzfenstern und sonstige Maßnahmen des passiven Schallschutzes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. September 1988 – BVerwG 4 N 1.87 – BVerwGE 80, 184). Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BImSchG hat der Träger der Baulast dem Eigentümer nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 Satz 1 BImSchG die für Schallschutzmaßnahmen erbrachten notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Kommt zwischen den Beteiligten keine Einigung über die Höhe zustande, so setzt nach § 42 Abs. 3 Satz 1 BImSchG die nach Landesrecht zuständige Behörde die Entschädigung fest. Diese Regelung gewährleistet, dass der Lärmschutz auch in den Fällen nicht das Nachsehen hat, in denen Maßnahmen des aktiven Schallschutzes nicht in Betracht kommen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 1995 – BVerwG 4 NB 30.94 – NJW 1995, 2572). Das vom Gesetzgeber bereitgestellte Instrumentarium versagt nur, wenn die Lärmbelastung so hoch ist, dass selbst unter Einsatz aller verfügbaren Mittel der Schalldämmung die nach der 24. BImSchV maßgeblichen Innenpegel nicht einzuhalten sind. Der Senat hätte keine Veranlassung, zu der Frage Stellung zu nehmen, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn ein Eigentümer trotz der Festsetzung von Schutzvorkehrungen Lärmeinwirkungen ausgesetzt bleibt, die über das Maß des ihm nach den gesetzgeberischen Wertungen Zumutbaren deutlich hinausgehen. Denn nach den Feststellungen des Normenkontrollgerichts haben die Antragsteller solche Folgen nicht zu befürchten. Selbst wenn die im schalltechnischen Gutachten errechneten Lärmwerte in bestimmten Straßenabschnitten korrekturbedürftig sein sollten, ist sichergestellt, dass sie in den Genuss von Maßnahmen kommen, die technisch machbar sind und nach Maßgabe des § 42 BImSchG ihren Schutzbedürfnissen genügen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 2 und § 159 VwGO sowie aus § 100 Abs. 2 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 14 Abs. 3 GKG. Der Streitwert setzt sich aus den folgenden Teilstreitwerten zusammen: Antragsteller zu 1 und 2 10 000 DM, Antragsteller zu 3 und 4 10 000 DM, Antragsteller zu 5 und 6 10 000 DM, Antragsteller zu 8 5 000 DM, Antragsteller zu 9 und 10 10 000 DM, Antragsteller zu 11 und 12 10 000 DM, Antragstellerin zu 13 10 000 DM.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Berkemann, Halama

 

Fundstellen

Dokument-Index HI566291

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge