Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 11 D 65/97.AK)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Gerichtsbescheid des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

1. Die Beschwerde rügt als Verfahrensfehler, das Oberverwaltungsgericht sei von einem falschen und unvollständigen Parteivortrag ausgegangen und habe damit gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen sowie das rechtliche Gehör der Kläger verletzt. Ihre Darlegungen ergeben dies jedoch nicht. Daher kann dahingestellt bleiben, ob es den Klägern verwehrt ist, die genannten Verfahrensfehler zu rügen, nachdem sie es unterlassen haben, gem. § 84 Abs. 2 Nr. 3 VwGO mündliche Verhandlung zu beantragen, und sich damit der Gelegenheit begeben haben, beim Oberverwaltungsgericht in Kenntnis des Gerichtsbescheids ihren Sachvortrag zu ergänzen und zu präzisieren, auf eine weitere Sachaufklärung hinzuwirken und gegebenenfalls Beweisanträge gem. § 86 Abs. 2 VwGO zu stellen (vgl. zum unterlassenen Beweisantrag BVerwG, Beschluss vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265).

1.1 Zum einen heben die Kläger hervor, das Oberverwaltungsgericht habe verneint, dass die Lärm- und Schadstoffimmissionen ein „schweres und unerträgliches Ausmaß” erreichten, und dabei den eingehenden Vortrag der Kläger zum Ausmaß der Lärmbelastung unberücksichtigt gelassen.

Dabei verkennen die Kläger, dass sich die Ausführungen auf Seite 9 des Gerichtsbescheids lediglich mit der Frage befassen, ob einer der Fälle vorliegt, in denen die Lärm- und Schadstoffimmissionen ein schweres und unerträgliches Ausmaß erreichen, welches als mittelbare Enteignung zu bewerten wäre und damit einem unmittelbaren Eingriff in das Eigentum gleichstünde. Das Gericht hat – wie auch seine Rechtsprechungszitate verdeutlichen – somit nur diejenigen Fälle ausscheiden wollen, in denen ein Grundstückseigentümer sein Wohngebäude praktisch überhaupt nicht mehr nutzen kann, so dass die Straßenplanung im Ergebnis auf eine Enteignung hinausläuft. Eine derartige Situation haben aber die Kläger selbst auch angesichts der unterschiedlichen Einschätzung und Bewertung der zu erwartenden Belastung nicht vorgetragen.

1.2 Die Kläger rügen ferner als aktenwidrige Feststellung, das Oberverwaltungsgericht habe einen Vortrag als ihren eigenen zugrunde gelegt, der in Wahrheit auf eine Information der Straßenbauverwaltung zurückgehe. Dies bezieht sich auf die Frage, mit welchem Aufwand der Einbau von Maßnahmen des passiven Schallschutzes an ihrem Gebäude im Hinblick auf möglicherweise unzureichende Wärmedämmung verbunden ist.

Das Oberverwaltungsgericht hat jedoch ausdrücklich offen gelassen, ob die Kosten im Hinblick auf die Vorschriften der Wärmeschutzverordnung besonders hoch seien oder nicht, da es nach seiner Rechtsauffassung darauf nicht ankam (Urt. S. 14). Schon deswegen erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

1.3 Die Beschwerde bemängelt weiterhin, der Vortrag der Kläger zu den durchschnittlichen Kosten von Lärmschutzwällen sei unberücksichtigt geblieben.

Hierzu ist zunächst hervorzuheben, dass die handschriftliche Berechnung auf Seite 25 der Gerichtsakten für sich genommen durchaus die Würdigung durch das Oberverwaltungsgericht erlaubte, sie beziehe sich auf Quadratmeter, nicht aber auf Kubikmeter, und komme daher zu unzutreffenden Ergebnissen. Davon abgesehen hat sich das Oberverwaltungsgericht auf die Feststellung beschränkt, es sei nachvollziehbar, dass die Errichtung eines Lärmschutzwalls „zumindest einen sechsstelligen Betrag” erfordere. Die Beschwerde legt in keiner Weise dar, dass diese Größenordnung auch nur im Widerspruch zu den von den Klägern genannten Durchschnittswerten stünde. Selbst eine überschlägige Berechnung bestätigt vielmehr, dass beide im Einklang miteinander stehen. Umso weniger kommt ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Betracht.

1.4 Soweit die Beschwerde schließlich rügt, das Gericht sei nicht auf den Vortrag der Kläger zur fehlenden Auslegung der Umweltverträglichkeitsstudie und der überarbeiteten Lärmprognose sowie zur zusammenfassenden Darstellung der Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung eingegangen, stellen sich ihre Ausführungen lediglich als Angriff auf die sachliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils dar. Damit kann ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO jedoch nicht dargetan werden.

2. Die Rechtssache hat auch nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫; stRspr).

2.1 Die Frage, ob das Fehlen einer methodisch korrekten Berechnung des maßgeblichen Beurteilungspegels unter bestimmten von der Beschwerde genannten Voraussetzungen (vgl. S. 1 der Beschwerdebegründung) zur Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses nötigt, entzieht sich in dieser Allgemeinheit einer grundsätzlichen Klärung. Denn es ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, ob die Belastung der Anwohner durch den zu erwartenden Verkehrslärm im Rahmen des der Planfeststellungsbehörde aufgegebenen Abwägungsvorgangs geeignet ist, die Konzeption, auf der die Straßenplanung beruht, grundlegend in Frage zu stellen oder nicht; letzteres hat das Oberverwaltungsgericht hier angenommen (Urt. S. 12/13). Davon abgesehen unterstellt die Beschwerde Tatsachen, die das Oberverwaltungsgericht in dieser Form nicht festgestellt hat. Allein damit, dass es auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hat dahin stehen lassen, ob die Lärmprognose der Beklagten im Ergebnis zutreffend ist oder nicht, hat es nicht zugleich festgestellt, dass die Berechnung „methodisch nicht korrekt” ist.

2.2 Die von der Beschwerde ferner gestellte Frage, ob § 50 BImSchG einen bei Anfechtung eines Planfeststellungsbeschlusses maßgeblichen Drittschutz jedenfalls denjenigen Lärmbetroffenen vermittelt, bei denen die in § 2 der 16. BImSchV bestimmten Grenzwerte bei der beschlossenen Trassenwahl überschritten werden, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren schon deswegen nicht stellen, da sie nicht entscheidungserheblich ist. Denn das Oberverwaltungsgericht hat die Klagebefugnis der Kläger und ihre Möglichkeit, eine – in ihren Augen – unzureichende Berücksichtigung der Lärmbelastung ihres Grundstücks im Rahmen der Abwägung zu rügen, nicht in Zweifel gezogen. Die ersichtlich dahinter stehende weitere Frage, unter welchen Umständen die Lärmbelastung von Wohngebieten im Rahmen der Abwägung höher zu gewichten ist, als schädliche Umwelteinwirkungen auf „lediglich landwirtschaftliche Flächen”, wäre einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren ebenfalls nicht zugänglich, da es jeweils auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt. Im Übrigen hat sich der Senat bereits in seinem – von der Beschwerde selbst genannten – Urteil vom 28. Januar 1999 – BVerwG 4 CN 5.98 – (Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 25 = BauR 1999, 867) mit der Bedeutung von § 50 BImSchG als Abwägungsdirektive befasst; weitergehenden Klärungsbedarf in dieser Richtung zeigt die Beschwerde nicht auf.

2.3 Die weitere Frage,

„Liegt ein gemäß § 17 Abs. 6c Satz. 1 FStrG offensichtlicher und das Abwägungsergebnis beeinflussender Abwägungsmangel vor, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kosten der aktiven Schallschutzmaßnahmen den für Anlagen des aktiven Schallschutzes erforderlichen Aufwand erreichen und es an einer objektiven Ermittlung der jeweiligen Kosten aller in Betracht kommenden Alternativen des aktiven und passiven Lärmschutzes sowie ihre Auswirkungen (auf) die Lärmbetroffenheit der Anwohner und anderere öffentlicher und privater Belange fehlt?” legt einen Sachverhalt zugrunde, den das Oberverwaltungsgericht so nicht festgestellt hat. Denn es ist gerade nicht zu dem Ergebnis gelangt, die Kosten der passiven Schallschutzmaßnahmen erreichten den für Anlagen des aktiven Schallschutzes erforderlichen Aufwand. Vielmehr hat es vor dem Hintergrund der Annahme des Planfeststellungsbeschlusses, ein Lärmschutzwall werde Kosten von deutlich mehr als 300.000 DM verursachen, als nachvollziehbar angesehen, dass die Errichtung eines Lärmschutzwalls „zumindest einen sechsstelligen Betrag” erfordere (Urt. S. 12). Damit stünden die Kosten der Lärmschutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck, drei Grundstücke vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu verschonen. Das Oberverwaltungsgericht hat auch nicht festgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass es an einer objektiven Ermittlung der jeweiligen Kosten fehle; dieser Auffassung sind vielmehr lediglich die Kläger. Soweit der Hauptantrag betroffen ist, tritt hinzu, dass das Oberverwaltungsgericht ferner zu dem Ergebnis gelangt ist, auch eine abweichende Entscheidung zur Frage, ob aktiver Lärmschutz zugunsten des Grundstücks der Kläger festzusetzen ist, würde die Konzeption, auf der die Straßenplanung beruht, nicht grundlegend in Frage stellen, so dass es insoweit überdies auf die genannte Frage nicht ankäme.

Auch die von der Beschwerde möglicherweise sinngemäß angesprochene Frage, inwieweit es Sache der Planfeststellungsbehörde ist, bauliche Besonderheiten einzelner Gebäude und ihre Auswirkungen auf die voraussichtlichen Kosten für passiven Lärmschutz zu ermitteln oder inwieweit dies von den betroffenen Eigentümern vorzutragen ist, entzieht sich einer grundsätzlichen Klärung. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass Betroffene mit Einwendungen, die sie nicht innerhalb der Einwendungsfrist erhoben haben, nach § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG ausgeschlossen sind. Hierzu zählen auch Umstände, die für die Planfeststellungsbehörde nicht erkennbar sind, beispielsweise weil sie auf baulichen Eigenschaften eines Gebäudes beruhen, die von außen nicht sichtbar sind. Auch unabhängig von dieser Präklusionsregelung ist es nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen zunächst Sache des Betroffenen, nicht offenkundige oder nahe liegende Tatsachen, die in seiner Sphäre liegen, vorzutragen. Eine genauere Umschreibung dieser Darlegungspflicht eines einzelnen Grundstückseigentümers einerseits und der Amtsermittlungspflicht der Behörde andererseits entzieht sich jedoch der grundsätzlichen Klärung. Vorliegend ist ferner zu beachten, dass es bei der nach § 41 Abs. 2 BImSchG zu treffenden Entscheidung zugleich auf eine Reihe weiterer Tatsachen ankommt. Maßgeblich sind u.a. die Zahl der insgesamt betroffenen Grundstücke und die Höhe der Gesamtkosten des aktiven und des passiven Lärmschutzes. Die daraus resultierende Aufklärungspflicht sowohl der Behörde wie des Gerichts erstreckt sich also auf das nach Lage der Dinge Notwendige; hierbei kommt es aber stets auf die Besonderheiten des Einzelfalls an, so dass sich die aufgeworfene Frage einer grundsätzlichen Klärung entzieht. Auch insoweit wäre im Übrigen der Antrag auf mündliche Verhandlung das sachgerechte Mittel gewesen, um eine weitere Erörterung und Sachaufklärung durch das Tatsachengericht zu erreichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 159 VwGO in Verbindung mit § 100 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Rojahn, Jannasch

 

Fundstellen

Dokument-Index HI642465

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