Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Aktenzeichen 9 B 97.30495)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 1, 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig sinngemäß die Frage, ob es sich bei dem nach Auffassung des Verwaltungsgerichts der Klägerin im Falle der alleinigen Rückkehr in ihre Heimat fehlenden Existenzminimum um ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis handelt. Eine offene Rechtsfrage wirft die Beschwerde damit nicht auf. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass Gefahren für Leib oder Leben, die ihre Ursache in unzureichenden Existenzbedingungen im Abschiebezielstaat haben, zu den vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) zu prüfenden zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen zählen (allgemein zur Unterscheidung zwischen zielstaatsbezogenen und nicht zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen im Hinblick auf § 53 Abs. 4 AuslG vgl. Urteil vom 11. November 1997 – BVerwG 9 C 13.96 – BVerwGE 105, 322, sowie zu den Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat als Abschiebungshindernis etwa Urteil vom 8. Dezember 1998 – BVerwG 9 C 4.98 – BVerwGE 108, 77). Geklärt ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in diesem Zusammenhang auch, dass Gefahren, die daraus folgen, dass ein Ausländer aus einem in Deutschland bestehenden Familienverband herausgelöst und allein in sein Heimatland abgeschoben wird, als mittelbare trennungsbedingte Gefahren von der Ausländerbehörde im Rahmen der Entscheidung über den Vollzug der Abschiebung zu prüfen und zu beurteilen sind, wenn davon auszugehen ist, dass die anderen Familienangehörigen wegen eines bestehenden Bleiberechts oder festgestellten Abschiebungsschutzes auf absehbare Zeit in Deutschland verbleiben werden (Urteil vom 21. September 1999 – BVerwG 9 C 12.99BVerwGE 109, 305 ≪308 ff.≫; Urteil vom 27. Juli 2000 – BVerwG 9 C 9.00 – Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 39). Weitergehenden oder neuen rechtlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde hierzu nicht auf.

Auch die Gehörsrügen der Klägerin führen nicht zur Zulassung der Revision. Ohne Erfolg beanstandet sie, dass das Berufungsgericht ungeachtet der Beweisanträge in ihrem Schriftsatz vom 22. Januar 2001 ohne erneute Anhörungsmitteilung im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130 a VwGO entschieden habe. Hat das Berufungsgericht den Verfahrensbeteiligten in einer (ersten) Anhörung nach § 130 a in Verbindung mit § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO mitgeteilt, dass es beabsichtigt, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei neuem entscheidungserheblichen Vorbringen und insbesondere bei danach gestellten Beweisanträgen grundsätzlich einer erneuten Anhörungsmitteilung, aus der sich ergibt, dass das Berufungsgericht an der beabsichtigten Verfahrensweise festzuhalten gedenkt. Dies ist jedoch u.a. dann nicht geboten, wenn es sich um nicht entscheidungserhebliche oder nur wiederholende Beweisanträge handelt (Beschluss vom 18. Juni 1996 – BVerwG 9 B 140.96 – Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 16).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der angefochtene Beschluss insoweit nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat in dem Schriftsatz vom 22. Januar 2001 die Einholung von Auskünften des Auswärtigen Amts sowie von amnesty international zum Beweis dafür beantragt, dass ihr Existenzminimum wegen ihres Alters, des Fehlens von Ersparnissen und wegen ihrer gesundheitlichen Situation im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien nicht gesichert sei. Zu dem gleichen Beweisthema hatte sie bereits mit Schriftsatz vom 31. August 2000 – vor der letzten Anhörungsmitteilung – die Einholung einer Auskunft von amnesty international beantragt. Demzufolge handelt es sich bei dem entsprechenden Beweisantrag im Schriftsatz vom 22. Januar 2001 der Sache nach lediglich um eine Wiederholung dessen vom 31. August 2000. Eine erneute Anhörungsmitteilung erforderte dies nicht. Dies war auch nicht im Hinblick auf die zusätzliche Benennung des Auswärtigen Amtes als sachverständige Auskunftsstelle im Schriftsatz vom 22. Januar 2001 der Fall. Denn es handelt sich bei diesen in den Beweisanträgen vorgeschlagenen Auskunftsstellen grundsätzlich nur um Anregungen; ihre Auswahl liegt letztlich in der Entscheidung des Gerichts (§ 98 VwGO i.V.m. § 404 Abs. 1 ZPO; vgl. dazu auch Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 98 Rn. 118 f.). Zudem war das von der Klägerin im Schriftsatz vom 22. Januar 2001 zusätzlich genannte Auswärtige Amt vom Berufungsgericht ohnehin bei der ihm obliegenden Auswahl der Sachverständigen in Betracht zu ziehen. Der Beweisantrag hat sich hierdurch in der Sache nicht verändert.

Entsprechendes gilt für die im Schriftsatz vom 22. Januar 2001 gleichfalls beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob die Klägerin befürchten müsse, wegen ihres Schwiegersohns unter Druck gesetzt zu werden, der an führender Stelle in der Medhin-Partei stehe und auch wegen seiner früheren Tätigkeit verfolgt werde, um so von ihr Näheres über den Schwiegersohn zu erfahren. Der gleiche Beweisantrag war von der Klägerin bereits mit Schriftsatz vom 19. Juli 2000 gestellt worden, so dass es, wie das Berufungsgericht zutreffend bemerkt (BA S. 4), auch im Hinblick hierauf keiner erneuten Anhörungsmitteilung bedurfte.

Soweit die Beschwerde im Hinblick auf die genannten Beweisanträge als Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) rügt, dass das Berufungsgericht ihnen nicht nachgegangen sei, jedenfalls die Gründe hierfür nicht dargelegt habe, bleibt sie ebenfalls ohne Erfolg. Was die Befürchtungen der Klägerin wegen ihres Schwiegersohns betrifft, bedurfte es nach der insoweit maßgeblichen Auffassung des Berufungsgerichts keiner weiteren Aufklärung zur Stellung und etwaigen Rückkehrgefährdung des Schwiegersohns selbst, weil jedenfalls die Klägerin deswegen im Falle ihrer Rückkehr nach den dem Berufungsgericht vorliegenden Erkenntnisquellen keine zu einem Abschiebungshindernis führenden Gefährdungen zu befürchten hätte. Mit den eingehenden Erwägungen des Berufungsgerichts hierzu (BA S. 6 f.) setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zur behaupteten Existenzgefährung der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr (BA S. 7 f.). Im Übrigen zeigt die Beschwerde auch in keiner Weise auf, inwiefern das Berufungsgericht sein Ermessen, das ihm bei der Entscheidung über die Einholung eines Sachverständigengutachtens zusteht, hier fehlerhaft ausgeübt haben sollte. Damit genügt sie schon nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Darlegung des geltend gemachten Gehörsverstoßes.

Der Senat weist darauf hin, dass es Sache der Ausländerbehörde ist, sofern sie die alleinige Abschiebung der Klägerin unter Trennung von ihrer im Bundesgebiet befindlichen Tochter und ihrem Schwiegersohn in Erwägung ziehen sollte, zu prüfen, ob dies mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK in Einklang stünde und ob die Klägerin in diesem Fall – mittelbar trennungsbedingt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 21. September 1999, a.a.O., S. 310 ff.) – in Äthiopien existenziellen Gefahren ausgesetzt wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

 

Unterschriften

Eckertz-Höfer, Dr. Mallmann, Dr. Eichberger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI667955

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