Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage. Vollständige oder teilweise Nichtbezahlung des Preises. Endgültig uneinbringlich gewordene Forderung. Ausschlussfrist für die Beantragung der nachträglichen Verminderung der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage. Zeitpunkt des Fristbeginns

 

Normenkette

Richtlinie 2006/112/EG Art. 90

 

Beteiligte

FGSZ

FGSZ Földgázszállító Zrt

Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága

 

Tenor

Art. 90 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Verbindung mit den Grundsätzen der steuerlichen Neutralität und der Effektivität ist dahin auszulegen, dass, wenn ein Mitgliedstaat eine Ausschlussfrist festlegt, nach deren Ablauf ein Steuerpflichtiger, der über eine endgültig uneinbringlich gewordene Forderung verfügt, seinen Anspruch auf Verminderung der Bemessungsgrundlage nicht mehr geltend machen kann, diese Frist nicht ab dem Zeitpunkt der Erfüllbarkeit der ursprünglich vorgesehenen Zahlungsverpflichtung zu laufen beginnen darf, sondern erst ab dem Zeitpunkt, zu dem die Forderung endgültig uneinbringlich geworden ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Pécsi Törvényszék (Gerichtshof Pécs, Ungarn) mit Entscheidung vom 17. September 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Oktober 2020, in dem Verfahren

FGSZ Földgázszállító Zrt.

gegen

Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Sechsten Kammer, L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters M. Safjan,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 90 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) in Verbindung mit den Grundsätzen der steuerlichen Neutralität, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der FGSZ Földgázszállító Zrt., einer ungarischen Handelsgesellschaft (im Folgenden: FGSZ), und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága (Rechtsbehelfsdirektion der Nationalen Steuer- und Zollverwaltung Ungarns, im Folgenden: Rechtsbehelfsdirektion) wegen der Weigerung der Rechtsbehelfsdirektion, der FGSZ das Recht einzuräumen, die Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer um den Betrag der Gegenleistung zu vermindern, den sie infolge der Insolvenz des Schuldners nicht vereinnahmt hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 90 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„(1) Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.

(2) Die Mitgliedstaaten können im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung von Absatz 1 abweichen.”

Rz. 4

Art. 185 dieser Richtlinie lautet:

„(1) Die Berichtigung erfolgt insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten.

(2) Abweichend von Absatz 1 unterbleibt die Berichtigung bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung geleistet wurde, in ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Fällen von Zerstörung, Verlust oder Diebstahl sowie bei Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und Warenmuster im Sinne des Artikels 16.

Bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung erfolgt, und bei Diebstahl können die Mitgliedstaaten jedoch eine Berichtigung verlangen.”

Rz. 5

Art. 273 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten können vorbehaltlich der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen bewirkten Inlandsumsätze und innergemeinschaftlichen Umsätze weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Formalitäten beim Grenzübertritt führen.”

Ungarisches Recht

Rz. 6

Das auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbare Az adózás rendjéről 2003. évi XCII. törvény (Gesetz Nr. XCII von 2003 über die Abgabenordnung) (Magyar Közlöny 2003/131. [XI. 14., S. 9990]) bestimmt in Art. 4 Abs. 3 Buchst. b im Wesentlichen, dass die Erstattung der Mehrwertsteuer als Haushaltszuw...

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