Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Freier Dienstleistungsverkehr. Leistungen der Mund- und Zahnversorgung. Nationale Rechtsvorschriften, die Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung ausnahmslos verbieten. Vorliegen eines grenzüberschreitenden Aspekts. Schutz der öffentlichen Gesundheit. Verhältnismäßigkeit. Dienst der Informationsgesellschaft. Werbung über eine Website. Angehöriger eines reglementierten Berufs. Berufsrechtliche Regeln. Unlautere Geschäftspraktiken. Nationale Gesundheitsbestimmungen. Nationale Bestimmungen für reglementierte Berufe

 

Normenkette

AEUV Art. 56; Richtlinie 2000/31/EG; Richtlinie 2005/29/EG

 

Beteiligte

Vanderborght

Luc Vanderborght

 

Tenor

1. Die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ist dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen, die die öffentliche Gesundheit und die Würde des Zahnarztberufs schützen, indem sie zum einen jegliche Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung allgemein und ausnahmslos verbieten und zum anderen bestimmte Anforderungen in Bezug auf die Schlichtheit von Zahnarztpraxisschildern aufstellen, nicht entgegensteht.

2. Die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) ist dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen, die jegliche Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung allgemein und ausnahmslos verbieten, entgegensteht, soweit sie jede Form kommerzieller Kommunikation auf elektronischem Weg, auch mittels einer von einem Zahnarzt erstellten Website, verbieten.

3. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die jegliche Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung allgemein und ausnahmslos verbieten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg te Brussel, strafzaken (Niederländischsprachiges Gericht erster Instanz in Strafsachen Brüssel, Belgien) mit Entscheidung vom 18. Juni 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juli 2015, in dem Strafverfahren gegen

Luc Vanderborght

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský, M. Safjan und D. Šváby,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Luc Vanderborght, vertreten durch S. Callens, M. Verhaege und L. Boddez, advocaten,
  • des Verbond der Vlaamse Tandartsen VZW, vertreten durch N. Van Ranst und V. Vanpeteghem, advocaten,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet, J. Van Holm und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte im Beistand von A. Fromont und L. Van den Hole, advocaten,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Roussanov und F. Wilman als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. September 2016

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 und 56 AEUV, der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. 2005, L 149, S. 22, Berichtigung ABl. 2009, L 253, S. 18) und der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) (ABl. 2000, L 178, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Herrn Luc Vanderborght, einen in Belgien niedergelassenen Zahnarzt, der beschuldigt wird, gegen eine nationale Regelung verstoßen zu haben, di...

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