Entscheidungsstichwort (Thema)

Steueramnstie, Portugal, Begünstigung portugiesischer Anleihen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 EG und Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 verstoßen, dass sie im Rahmen der mit Gesetz Nr. 39-A/2005 vom 29. Juli 2005 eingeführten Ausnahmeregelung zur steuerlichen Bereinigung von Vermögenswerten, die sich am 31. Dezember 2004 nicht im portugiesischen Hoheitsgebiet befinden („Regime excepcional de regularização tributária de elementos patrimoniais que não se encontrem no território português em 31 de Dezembro de 2004“), nur für vom portugiesischen Staat ausgegebene öffentliche Anleihen eine steuerliche Vergünstigung vorgesehen hat.

2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten.

 

Normenkette

EGVtr Art. 56; EWR-Abkommen Art. 40

 

Beteiligte

Kommission / Portugal

Europäische Kommission

Portugiesische Republik

 

Tatbestand

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Zulässigkeit der Klage ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Art. 56 EG ‐ Art. 40 EWR-Abkommen ‐ Öffentliche Anleihen ‐ Steuerliche Vergünstigung ‐ Rechtfertigung ‐ Bekämpfung von Steuerhinterziehung ‐ Bekämpfung von Steuerumgehung“

In der Rechtssache C-20/09

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 15. Januar 2009,

Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal und A. Caeiros als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes, C. Guerra Santos und J. Menezes Leitão als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. Arabadjiev, A. Rosas (Berichterstatter) und U. Lõhmus sowie der Richterin P. Lindh,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2010,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Juni 2010

folgendes

Urteil

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 EG und Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass sie im Rahmen der mit Gesetz Nr. 39-A/2005 vom 29. Juli 2005 (Diário da República I, Reihe A, Nr. 145 vom 29. Juli 2005) eingeführten Bereinigung steuerlicher Verhältnisse nur für vom portugiesischen Staat ausgegebene öffentliche Anleihen eine steuerliche Vergünstigung vorgesehen hat.

Rechtlicher Rahmen

EWR-Abkommen

Rz. 2

Art. 40 EWR-Abkommen bestimmt:

„Im Rahmen dieses Abkommens unterliegt der Kapitalverkehr in Bezug auf Berechtigte, die in den [Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft] oder den [Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA)] ansässig sind, keinen Beschränkungen und keiner Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes der Parteien oder des Anlageortes. Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel sind in Anhang XII enthalten.“

Rz. 3

In diesem Anhang XII („Freier Kapitalverkehr“) wird auf die Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages [Artikel durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben] (ABl. L 178, S. 5) Bezug genommen.

Nationales Recht

Rz. 4

Mit dem Gesetz Nr. 39-A/2005 wurde die Ausnahmeregelung zur Bereinigung der steuerlichen Verhältnisse in Bezug auf Vermögenswerte, die sich am 31. Dezember 2004 nicht im portugiesischen Hoheitsgebiet befinden („Regime excepcional de regularização tributária de elementos patrimoniais que não se encontrem no território português em 31 de Dezembro de 2004“, im Folgenden: RERT), eingeführt.

Rz. 5

In Art. 1 RERT heißt es:

„Die [RERT] gilt für Vermögenswerte, die sich am 31. Dezember 2004 nicht im portugiesischen Hoheitsgebiet befinden und bei denen es sich um Einlagen, Einlagenzertifikate, Wertpapiere und andere Finanzinstrumente einschließlich der Policen über fondsgebundene Lebensversicherungsverträge und sonstige dem Vermögensaufbau dienende Geschäfte in der Sparte Leben handelt.“

Rz. 6

Nach Art. 2 Abs. 1 RERT kann die Ausnahmeregelung von natürlichen Personen in Anspruch genommen werden, die Vermögenswerte nach Art. 1 besitzen.

Rz. 7

Art. 2 Abs. 2 RERT sieht vor:

„Für die Zwecke der vorliegenden Regelung haben die Steuerpflichtigen

a) die Erklärung zur Bereinigung der steuerlichen Verhältnisse nach Art. 5 einzureichen;

b) den Betrag zu zahlen, der sich aus der Anwendung eines Steuersatzes von 5 % auf den Wert der in der Erklärung nach Abs. 1 angegebenen Vermögenswerte ergibt.“

Rz. 8

Art. 5 RERT bestimmt:

„1 ‐ Die Erklärung zur Bereinigung der steuerlichen Verhältnisse, auf die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a Bezug genommen wird, entspricht dem vom Finanzminister mit Erlass genehmigten Muster; ihr sind die Dokumente zum Nachweis des Eigentums ...

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