Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Soziale Sicherheit der Wandererwerbstätigen. Anwendungsbereich. Altersrente. Berechnung. Berücksichtigung von in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Kindererziehungszeiten. Freizügigkeit

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 987/2009 Art. 44 Abs. 2; AEUV Art. 21

 

Beteiligte

Pensionsversicherungsanstalt

CC

Pensionsversicherungsanstalt

 

Tenor

Art. 44 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, dass, wenn die betreffende Person die in dieser Bestimmung aufgestellte Voraussetzung der Ausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit für die Berücksichtigung von in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Kindererziehungszeiten bei der Gewährung einer Altersrente durch den zur Zahlung dieser Rente verpflichteten Mitgliedstaat nicht erfüllt, dieser Mitgliedstaat nach Art. 21 AEUV verpflichtet ist, diese Zeiträume zu berücksichtigen, sofern diese Person ausschließlich in diesem Mitgliedstaat gearbeitet und Beiträge entrichtet hat, und zwar sowohl vor als auch nach der Verlegung ihres Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat, in dem sie diese Zeiten zurückgelegt hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 13. Oktober 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 4. November 2020, in dem Verfahren

CC

gegen

Pensionsversicherungsanstalt

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter J. Passer, F. Biltgen (Berichterstatter) und N. Wahl sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2021,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von CC, vertreten durch Rechtsanwalt G. Schönherr,
  • der Pensionsversicherungsanstalt, vertreten durch Rechtsanwälte A. Ehm und T. Mödlagl sowie B. Pokorny als Sachverständigen,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Leeb, A. Posch, J. Schmoll und B. Spiegel als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch J. Pavliš, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch I. Herranz Elizalde und S. Jiménez García als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Februar 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 21 AEUV und Art. 44 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2009, L 284, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen CC und der Pensionsversicherungsanstalt (Österreich) über die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten, die CC in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegt hat, bei der Berechnung ihrer österreichischen Altersrente.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 883/2004

Rz. 3

Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, berichtigt in ABl. 2004, L 200, S. 1) bezweckt die Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit. Nach ihrem Art. 91 gilt sie ab dem Inkrafttreten ihrer Durchführungsverordnung, der Verordnung Nr. 987/2009, die gemäß deren Art. 97 am 1. Mai 2010 in Kraft trat.

Rz. 4

Die Erwägungsgründe 1 und 3 der Verordnung Nr. 883/2004 lauten:

„(1) Die Vorschriften zur Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit sind Teil des freien Personenverkehrs und sollten zur Verbesserung des Lebensstandards und der Arbeitsbedingungen beitragen.

(3) Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern [(ABl. 1971, L 149, S. 2)], ist mehrfach geändert und aktualisiert worden, um nicht nur den Entwicklungen auf Gemeinschaftsebene – einschließlich der Urteile des Gerichtshofes –, sondern auch den Änderungen der Rechtsvorschriften auf nationaler Ebene Rechnung zu tragen. Diese Faktoren haben dazu beigetragen, dass die gemeinschaftlichen Koordinierungsregeln komplex und umfangreich geworden sind. Zur Erreichung des Ziels des freien Personenverkehrs ist es daher von wesentlicher Bedeutung, diese Vorschriften zu ersetzen und dabei gleichzeitig zu aktualisieren und zu vereinfachen.”

...

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