Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 12 Abs. 1-2, Art. 135 Abs. 1 Buchst. j

 

Beteiligte

Belgischer Staat und Promo 54

État belge, Promo 54 SA

Promo 54 SA, État belge

 

Verfahrensgang

Cour de Cassation (Belgien) (Beschluss vom 28.03.2022; ABl. EU 2022 Nr. C 257/26)

 

Tenor

Art. 135 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie

ist dahin auszulegen, dass

die in der erstgenannten Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung für die vor dem Erstbezug erfolgte Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden auch auf die Lieferung eines Gebäudes Anwendung findet, das vor dem Umbau Gegenstand eines Erstbezugs war, selbst wenn der betreffende Mitgliedstaat im nationalen Recht nicht die Einzelheiten der Anwendung für das mit dem Erstbezug verbundene Kriterium auf Umbauten von Gebäuden festgelegt hat, wozu er nach Art. 12 dieser Richtlinie befugt gewesen wäre.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationshof, Belgien) mit Entscheidung vom 28. März 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 5. April 2022, in dem Verfahren

État belge,

Promo 54 SA

gegen

Promo 54 SA,

État belge

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richter N. Piçarra und M. Gavalec,

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Promo 54 SA, vertreten durch P. Wouters, Advocaat,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch P. Cottin, J.-C. Halleux und C. Pochet als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia, C. Ehrbar und V. Uher als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 1 und 2 sowie von Art. 135 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der auf dem Gebiet der Entwicklung von Immobilienprojekten tätigen Promo 54 SA und dem belgischen Staat über die Höhe der von dieser Gesellschaft für den Umbau eines ehemaligen Schulgebäudes in einen Wohn- und Bürokomplex geschuldeten Mehrwertsteuer.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 2 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt; …”

Rz. 4

Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Als ‚Steuerpflichtiger’ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit’ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.”

Rz. 5

Art. 12 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten können Personen als Steuerpflichtige betrachten, die gelegentlich eine der in Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 2 genannten Tätigkeiten ausüben und insbesondere einen der folgenden Umsätze bewirken:

  1. Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn sie vor dem Erstbezug erfolgt;
  2. Lieferung von Baugrundstücken.

(2) Als ‚Gebäude’ im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a gilt jedes mit dem Boden fest verbundene Bauwerk.

Die Mitgliedstaaten können die Einzelheiten der Anwendung des in Absatz 1 Buchstabe a genannten Kriteriums des Erstbezugs auf Umbauten von Gebäuden und den Begriff ‚dazugehöriger Grund und Boden’ festlegen.

Die Mitgliedstaaten können andere Kriterien als das des Erstbezugs bestimmen, wie etwa den Zeitraum zwischen der Fertigstellung des Gebäudes und dem Zeitpunkt seiner ersten Lieferung, oder den Zeitraum zwischen dem Erstbezug und der späteren Lieferung, sofern diese Zeiträume fünf bzw. zwei Jahre nicht überschreiten.”

Rz. 6

In Art. 135 Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:

„(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

j) Lieferung von anderen Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden als den in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a genannten;

…”

Belgisches Recht

Rz. 7

Art. 1 § 9 des Code de la taxe sur la valeur ajoutée (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetzbuch) bestimmt:

„Für die Zwecke dieses Gesetzes gilt

  1. als Gebäude oder Gebäudeteil jedes fest mit dem Boden verbunden...

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