Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Haftung von Luftfahrtunternehmen im Fall des Todes oder einer Körperverletzung eines Fluggasts. Begriff ‚Körperverletzung’. Posttraumatische Belastungsstörung, die ein Fluggast bei der Notfallevakuierung eines Flugzeugs erlitten hat

 

Normenkette

Übereinkommen von Montreal Art. 17 Abs. 1

 

Beteiligte

Laudamotion

BT

Laudamotion GmbH

 

Tenor

Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, das am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossen, am 9. Dezember 1999 von der Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet und durch den Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 in ihrem Namen genehmigt wurde,

ist dahin auszulegen, dass

für eine psychische Beeinträchtigung, die ein Fluggast durch einen „Unfall” im Sinne dieser Bestimmung erlitten hat und die keinen Zusammenhang mit einer „Körperverletzung” im Sinne dieser Bestimmung aufweist, in gleicher Weise Schadenersatz zu leisten ist wie für eine solche Körperverletzung, sofern der Fluggast eine Beeinträchtigung seiner psychischen Integrität nachweist, die von solcher Schwere oder Intensität ist, dass sie sich auf seinen allgemeinen Gesundheitszustand auswirkt und nicht ohne ärztliche Behandlung abklingen kann.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 28. Januar 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Februar 2021, in dem Verfahren

BT

gegen

Laudamotion GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter M. Safjan, N. Piçarra (Berichterstatter), N. Jääskinen und M. Gavalec,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von BT, vertreten durch Rechtsanwalt D. Heine,
  • der Laudamotion GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt C. Peitsch,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, J. Heitz und M. Hellmann als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, K. Simonsson und G. Wilms als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. März 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 Abs. 1 und Art. 29 des am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossenen, von der Europäischen Gemeinschaft am 9. Dezember 1999 unterzeichneten und mit dem Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 (ABl. 2001, L 194, S. 38) in ihrem Namen genehmigten Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (im Folgenden: Übereinkommen von Montreal), das in Bezug auf die Europäische Union am 28. Juni 2004 in Kraft getreten ist.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen BT und der Laudamotion GmbH, einem Luftfahrtunternehmen, über eine Schadenersatzklage, die BT wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung erhoben hat, die sie bei einer Notfallevakuierung des Flugzeugs erlitten hat, mit dem sie befördert werden sollte.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 2, 3 und 5 des Übereinkommens von Montreal heißt es:

„[Die Vertragsstaaten erkennen an], dass es notwendig ist, das [am 12. Oktober 1929 in Warschau unterzeichnete Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (im Folgenden: Warschauer Abkommen)] und die damit zusammenhängenden Übereinkünfte zu modernisieren und zusammenzuführen;

[die Vertragsstaaten erkennen die] Bedeutung des Schutzes der Verbraucherinteressen bei der Beförderung im internationalen Luftverkehr und eines angemessenen Schadenersatzes nach dem Grundsatz des vollen Ausgleichs [an];

… gemeinsames Handeln der Staaten zur weiteren Harmonisierung und Kodifizierung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr durch ein neues Übereinkommen [ist] das beste Mittel …, um einen gerechten Interessenausgleich zu erreichen”.

Rz. 4

Art. 17 („Tod und Körperverletzung von Reisenden – Beschädigung von Reisegepäck”) Abs. 1 dieses Übereinkommens bestimmt:

„Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass ein Reisender getötet oder körperlich verletzt wird, jedoch nur, wenn sich der Unfall, durch den der Tod oder die Körperverletzung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen ereignet hat.”

Rz. 5

Art. 29 („Grundsatz für Ansprüche”) des Übereinkommens sieht vor:

„Bei der Beförderung von Reisenden, Reisegepäck und Gütern kann ein Anspruch auf Schadenersatz, auf welchem Rechtsgrund er auch beruht, sei es dieses Übereinkommen, ein Vertrag, eine unerlaubte Handlung oder ein sonstiger Rechtsgrund, nur unter den Voraussetzungen und mit den Beschränkungen geltend gemacht werden, die in diesem Übereinkommen vorgesehen sind …”

Unionsrecht

Rz. 6

Art. 2 Abs. 2...

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