Entscheidungsstichwort (Thema)

Europäisches System der Zentralbanken. Klage wegen Verstoßes gegen Art. 14.2 Abs. 2. Entscheidung einer nationalen Behörde, mit der der Präsident der nationalen Zentralbank vorläufig seines Amtes enthoben wird

 

Normenkette

Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank Art. 14.2 Abs. 2

 

Beteiligte

Rimšēvičs/ Lettland

Ilmārs Rimšēvičs

Republik Lettland

 

Tenor

1. Die Rechtssachen C-202/18 und C-238/18 werden zu gemeinsamem Urteil verbunden.

2. Die Entscheidung des Korupcijas novēršanas un apkarošanas birojs (Büro zur Verhütung und Bekämpfung der Korruption, Lettland) vom 19. Februar 2018 wird für nichtig erklärt, soweit damit Herrn Rimšēvičs untersagt wird, sein Amt als Präsident der Zentralbank Lettlands auszuüben.

3. Die Republik Lettland trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Zentralbank (EZB).

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend zwei Klagen nach Art. 14.2 Abs. 2 des Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank, eingereicht am 16. März bzw. 3. April 2018,

Ilmārs Rimšēvičs, vertreten durch S. Vārpiņš, M. Kvēps und I. Pazare, advokāti (C-202/18),

[Berichtigt durch Beschluss vom 10. April 2019] Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch C. Zilioli, K. Kaiser und C. Kroppenstedt als Bevollmächtigte im Beistand von D. Sarmiento Ramírez-Escudero, abogado, und V. Čukste-Jurjeva, advokāte (C-238/18),

Kläger,

gegen

Republik Lettland, vertreten durch I. Kucina und J. Davidoviča als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras und E. Regan, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe und des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richter A. Rosas, E. Juhász, E. Levits, L. Bay Larsen und D. Šváby sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,

aufgrund der schriftlichen Verfahren und auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2018,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 19. Dezember 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihren Klagen gemäß Art. 14.2 Abs. 2 des Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (im Folgenden: Satzung des ESZB und der EZB) wenden sich Herr Ilmārs Rimšēvičs, der Präsident der Latvijas Banka (Zentralbank Lettlands), zum einen und die Europäische Zentralbank (EZB) auf Beschluss des EZB-Rats zum anderen gegen die Entscheidung des Korupcijas novēršanas un apkarošanas birojs (Büro zur Verhütung und Bekämpfung der Korruption, Lettland) (im Folgenden: KNAB) vom 19. Februar 2018, mit der Herrn Rimšēvičs einstweilig untersagt worden ist, sein Amt als Präsident der Zentralbank Lettlands auszuüben (im Folgenden: streitige Entscheidung).

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 2

In Art. 129 AEUV heißt es:

„(1) Das ESZB wird von den Beschlussorganen der Europäischen Zentralbank, nämlich dem Rat der Europäischen Zentralbank und dem Direktorium, geleitet.

(2) Die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (im Folgenden ‚Satzung des ESZB und der EZB’) ist in einem den Verträgen beigefügten Protokoll festgelegt.

…”

Rz. 3

Art. 130 AEUV sieht vor:

„Bei der Wahrnehmung der ihnen durch die Verträge und die Satzung des ESZB und der EZB übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die Europäische Zentralbank noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der Europäischen Zentralbank oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.”

Rz. 4

Art. 131 AEUV bestimmt:

„Jeder Mitgliedstaat stellt sicher, dass seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften einschließlich der Satzung seiner nationalen Zentralbank mit den Verträgen sowie mit der Satzung des ESZB und der EZB im Einklang stehen.”

Rz. 5

Art. 283 Abs. 1 AEUV lautet:

„Der Rat der Europäischen Zentralbank besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums der Europäischen Zentralbank und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist.”

Rz. 6

Art. 14 „Nationale Zentralbanken”) der Satzung des ESZB und der EZB sieht vor:

„14.1. Nach Artikel 131 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union stellt jeder Mitgliedstaat sicher, dass seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften einschließlich der Satzung seiner Zentralbank mit den Verträgen und dieser Satzung im Einklang stehen.

14.2. In den Satzungen der natio...

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