Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Elektronische Kommunikationsnetze und -dienste. Rechte der Nutzer. Recht der Teilnehmer, ihren Vertrag ohne Zahlung von Vertragsstrafen zu widerrufen. Tarifänderung, die sich aus den Vertragsbedingungen ergibt. Erhöhung des Entgelts im Fall eines Anstiegs des Verbraucherpreises

 

Normenkette

Richtlinie 2002/22/EG

 

Beteiligte

Verein für Konsumenteninformation

A1 Telekom Austria AG

 

Tenor

Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Änderung der Entgelte für die Bereitstellung elektronischer Netz- oder Kommunikationsdienste gemäß einer Entgeltanpassungsklausel, die in den allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Unternehmens, das diese Dienste anbietet, enthalten ist und vorsieht, dass eine solche Änderung anhand eines von einer staatlichen Stelle ermittelten objektiven Verbraucherpreisindex erfolgt, keine „Änderung der Vertragsbedingungen” im Sinne dieser Bestimmung darstellt, die den Teilnehmer berechtigt, seinen Vertrag ohne Zahlung von Vertragsstrafen zu widerrufen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 28. April 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juli 2014, in dem Verfahren

Verein für Konsumenteninformation

gegen

A1 Telekom Austria AG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richter J. Malenovský und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterinnen A. Prechal und K. Jürimäe,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Vereins für Konsumenteninformation, vertreten durch Rechtsanwalt S. Langer,
  • der A1 Telekom Austria AG, vertreten durch Rechtsanwalt M. Hasberger,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch J. Van Holm und M. Jacobs als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und L. Nicolae als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. Juli 2015

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) (ABl. L 108, S. 51) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. L 337, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2002/22).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Verein für Konsumenteninformation (im Folgenden: Verein) und der A1 Telekom Austria AG (im Folgenden: A1 Telekom Austria) wegen von A1 Telekom Austria in Verträgen mit Verbrauchern verwendeten Klauseln, deren Rechtswidrigkeit behauptet wird.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2002/22

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 30 und 49 der Richtlinie 2002/22 lauten:

„(30) Verträge stellen ein wichtiges Mittel für Nutzer und Verbraucher dar, um ein Mindestmaß an Informationstransparenz und Rechtssicherheit zu gewährleisten. … Insbesondere sollten die Verbraucher bei ihren Vertragsbeziehungen mit ihrem unmittelbaren Telefondienstanbieter ein Mindestmaß an Rechtssicherheit in der Weise haben, dass die Vertragsbedingungen, die Dienstqualität, die Kündigungsbedingungen und die Bedingungen für die Einstellung des Dienstes, Entschädigungsregelungen und die Streitbeilegung vertraglich festgelegt sind. … Maßnahmen zur Gewährleistung der Transparenz bei Preisen, Tarifen und Bedingungen werden es den Verbrauchern erleichtern, eine optimale Wahl zu treffen und auf diese Weise umfassend vom Wettbewerb zu profitieren.

(49) Diese Richtlinie sollte Elemente des Verbraucherschutzes wie eindeutige Vertragsbedingungen, Streitbeilegung und Tariftransparenz für die Verbraucher vorsehen. …”

Rz. 4

Art. 1 in Kapitel I („Anwendungsbereich, Ziele und Begriffsbestimmungen”) dieser Richtlinie bestimmt:

„(1) Innerhalb des Rahmens der Richtlinie 2002/21/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108, S. 33)] betrifft diese Richtlinie die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste für Endnutzer. Ziel dieser Richtlinie ist es, die Verfügbarkeit gemeinschaftsweiter hochwertiger, öffentlich zugänglicher Dienste durch wirksamen Wettbewe...

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