Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Beeinträchtigungen der finanziellen Interessen der Europäischen Union. Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95. Art. 1, Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3, Art. 5 und 7. Verordnung (EWG) Nr. 3665/87. Art. 11 und Art. 18 Abs. 2 Buchst. c. Begriff ‚Wirtschaftsteilnehmer’. Personen, die an der Begehung der Unregelmäßigkeit mitgewirkt haben. Personen, die für die Unregelmäßigkeit zu haften haben oder dafür zu sorgen haben, dass sie nicht begangen wird. Verwaltungsrechtliche Sanktion. Unmittelbare Wirkung. Verfolgungsverjährung. Unterbrechung

 

Beteiligte

SGS Belgium u.a

Belgisch Interventie- en Restitutiebureau

SGS Belgium NV

Firme Derwa NV

Centraal Beheer Achmea NV

 

Tenor

1. Die Art. 5 und 7 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften finden nicht in der Weise Anwendung, dass eine verwaltungsrechtliche Sanktion bereits allein auf der Grundlage dieser Bestimmungen verhängt werden kann, da die Anwendung einer verwaltungsrechtlichen Sanktion gegenüber einer Kategorie von Personen im Rahmen des Schutzes der finanziellen Interessen der Union voraussetzt, dass vor der Begehung der fraglichen Unregelmäßigkeit entweder der Unionsgesetzgeber eine sektorbezogene Regelung erlassen hat, die eine solche Sanktion und die Bedingungen für ihre Anwendung gegenüber dieser Kategorie von Personen festlegt, oder, wenn eine solche Regelung der Union noch nicht besteht, im Recht des Mitgliedstaats, in dem diese Unregelmäßigkeit begangen wurde, die Verhängung einer verwaltungsrechtlichen Sanktion gegen die betreffende Kategorie von Personen vorgesehen ist.

2. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wo die sektorbezogene Regelung der Union noch keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten enthielt, wirksame Sanktionen für die Fälle vorzusehen, in denen eine von einem Mitgliedstaat zugelassene internationale Kontroll- und Überwachungsgesellschaft falsche Bescheinigungen ausgestellt hat, verbietet Art. 7 der Verordnung Nr. 2988/95 den Mitgliedstaaten nicht, gegen diese Gesellschaft als Person, die im Sinne dieser Bestimmung „an der Begehung einer Unregelmäßigkeit mitgewirkt hat” oder für diese „zu haften hat” oder aber „dafür zu sorgen hat, dass sie nicht begangen wird”, eine Sanktion zu verhängen, sofern die Anwendung dieser Sanktion auf einer klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage beruht, was das vorlegende Gericht zu prüfen haben wird.

3. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens stellen die Übermittlung eines Untersuchungsberichts, aus dem eine Unregelmäßigkeit im Zusammenhang mit einem bestimmten Ausfuhrgeschäft hervorgeht, an eine internationale Kontroll- und Überwachungsgesellschaft, die eine Bescheinigung über die Überführung in den freien Verkehr für dieses Ausfuhrgeschäft ausgestellt hat, die an diese Gesellschaft gerichtete Aufforderung, ergänzende Unterlagen zum Nachweis der tatsächlichen Abfertigung zum freien Verkehr vorzulegen, und die Übersendung eines Einschreibens, mit dem gegen die Gesellschaft eine Sanktion wegen der Mitwirkung an einer Unregelmäßigkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 verhängt wird, hinreichend bestimmte, der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlungen dar, die die Verfolgungsverjährung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 unterbrechen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Hof van beroep te Antwerpen (Belgien) mit Entscheidung vom 8. September 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 14. September 2009, in dem Verfahren

Belgisch Interventie- en Restitutiebureau

gegen

SGS Belgium NV,

Firme Derwa NV,

Centraal Beheer Achmea NV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot sowie der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen und der Richterinnen C. Toader (Berichterstatterin) und A. Prechal,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der SGS Belgium NV, vertreten durch M. Storme, avocat,
  • der Firme Derwa NV, vertreten durch L. Wysen und J. Gevers, avocats,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux als Bevollmächtigten im Beistand von P. Bernaerts und E. Vervaeke, advocaten,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Bouquet und F. Wilman als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. Juli 2010

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 sowie der Art. 5 und 7 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europä...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge