Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 41 O 164/20)

 

Tenor

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für unzulässig erklärt.

Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht Berlin verwiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Das Verfahren betrifft einen Streit zwischen zwei XXX um eine Äußerung des Vorsitzenden des Ortsverbandes XXX der Antragsgegnerin in einer an Beschäftigte der XXX versandten E-Mail vom 13.05.2020. Darin heißt es (Anm.: Unterstreichungen durch den Senat):

"Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

bitte liest euch die Anhänge gut durch. Es geht um euer Geld und um eure Gesundheitsversorgung und die eurer Familie.

Der Chef des Dachverbandes der XXX (XXX), XXX (XXX) fordert ein einheitliches Sozialversicherungssystems (Bürgerversicherung), in das auch die Beamten mit einbezogen werden sollen.

Selbst wenn man für die 'alten' Kollegen von Besitzstand Wahrung spricht, so wird es die 'jungen' Kollegen voll erwischen und sie werden zu Beamten 2. Klasse. So etwas muss verhindert werden.

Wer als noch nicht wählen war, den bitte ich wählt die Liste 4 XXX.

Um solche Gedanke/Planungen sofort im Keim zu ersticken, setzt ein Zeichen und werdet Mitglied in der XXX.

Monatsbeitrag für Stammbeamte zum Kennenlernen nur 1,- EUR in den ersten 6 Monaten.

Anwärterinnen/Anwärter die bei der XXX kündigen und eine Rechnung für die Gesetztestexte und den Rucksack/Tasche erhalten dürfen diese gerne als neues Mitglied der XXX bei der XXX einreichen."

Die Antragstellerin hält die unterstrichenen Äußerungen für rechtswidrig, Die E-Mail gebe Äußerungen des XXX-Vorsitzenden unzutreffend wieder. Durch die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen über den gewerkschaftlichen Mitbewerber, verbunden mit der Aufforderung, gegen finanzielle Erstattungsleistungen bei diesem aus- und in die eigene Gewerkschaft einzutreten, betreibe die Antragsgegnerin eine nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unzulässige Mitgliederabwerbung. Dadurch werde die Antragstellerin in ihren grundrechtlich geschützten Koalitionsrechten der unbehinderten Mitgliederwerbung verletzt.

Die Antragstellerin beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, die beanstandeten Passagen zu äußern und/oder zu verbreiten.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 25.05.2020 zurückgewiesen. Bei den Äußerungen handele es sich um zulässige Wertungen. Eine nach den Maßstäben des Bundesarbeitsgerichts unlautere Mitgliederabwerbung liege nicht vor. Außerdem fehle ein Verfügungsgrund.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

Nach dem Hinweis des Senats auf Bedenken gegen die Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichte hat die Antragstellerin vorsorglich die Abgabe an das für zuständig gehaltene Gericht beantragt.

Die Antragsgegnerin, die am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt war, beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

II. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist nicht eröffnet. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne von § 13 GVG liegt nicht vor. Vielmehr handelt es sich um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit, so dass nur der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten beschritten werden kann. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten war deshalb für unzulässig zu erklären und der Rechtsstreit an das zuständige Arbeitsgericht erster Instanz, das Arbeitsgericht Berlin, zu verweisen, § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG.

1. Der Prüfung der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges durch den Senat als Beschwerdegericht steht § 17 a GVG nicht entgegen. Nach § 17 a Abs. 5 GVG prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, zwar nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Die Vorschrift ist jedoch nicht anzuwenden, wenn eine Partei wie vorliegend in 1. Instanz formell nicht beteiligt war (Lückemann in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 17a GVG, Rn. 18).

2. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG erstreckt sich die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte auf "bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfes oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen" handelt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

a) Mit der Geltendmachung von zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen in Bezug auf die angegriffene Veröffentlichung liegt eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit vor.

Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist nicht eröffnet. Eine nach § 83 BPersVG den Verwaltungsgerichten zugewiesene Streitigkeit liegt nicht vor. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist auch nicht nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Nach dieser Vorschrift ist der Verwaltungsrechtsweg in allen...

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