Leitsatz (amtlich)

Kommt es zwischen einem Verkehrsteilnehmer, der nach links in ein Grundstück einbiegen will, und einem überholenden Fahrzeug zu einem Unfall, spricht der Beweis des ersten Anschein dafür, dass nach links in ein Grundstück abbiegende Verkehrsteilnehmer die ihm nach § 9 Abs. 1, 5 StVO obliegenden gesteigerten Sorgfaltspflichten verletzt hat.

Eine unklare Verkehrslage, die nach § 5 Abs. 2 StVO das Überholen verbietet, liegt vor, wenn nach allen Umständen mit einem ungefährdeten Überholen nicht gerechnet werden kann; sie ist jedoch nicht bereits dann gegeben, wenn das vorausfahrende Fahrzeug, das sich bereits etwas zur Straßenmitte hin eingeordnet hat, verlangsamt, ohne zuvor rechtzeitig die Abbiegeabsicht durch Blinken angezeigt zu haben.

(Rücknahme der Berufung)

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 328/08)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis geltend.

Der Kläger befuhr am 19.8.2008 gegen 10:30 Uhr mit einem Kfz die Grünberger Straße in Berlin in Richtung Warschauer Straße. Als er nach links abbog, um nach seiner Behauptung in eine Hofeinfahrt links zu fahren, stieß er mit dem vom Beklagten zu 1) geführten und von dem Beklagten zu 2) gehaltenen Fahrzeug der Berliner Feuerwehr zusammen, als dieses versuchte das klägerische Fahrzeug von hinten zu überholen.

Der Kläger behauptet, er habe sich vor dem Abbiegen in der Fahrbahnmitte eingeordnet und den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt. Das Feuerwehrfahrzeug habe sich mit einer Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h ohne Blaulicht und Martinshorn angenähert und diese erst unmittelbar vor der Kollision eingeschaltet.

Die Beklagten behaupten, das Blaulicht sei ununterbrochen eingeschaltet gewesen. Der Beklagte zu 1) habe im Hinblick auf die Fahrt in den Gegenverkehr das Martinshorn eingeschaltet und sei auf die Gegenfahrbahn ausgeschert, um den Kläger zu überholen. Als er fast neben dem Kläger gewesen sei, habe dieser plötzlich zu einem Wendemanöver angesetzt. Den Blinker habe er erst augenblicklich vor dem Abbiegen betätigt.

Das LG hat nach Beweisaufnahme zum Unfallhergang durch Einvernahme der Zeugen G., J., S. und B. die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe selbst vorgetragen, dass er im Begriff gewesen sei, nach links in ein Grundstück abzubiegen, als sich der Unfall ereignete. Bei diesem Fahrmanöver hätte er die besonderen Sorgfaltspflichten gem. § 9 Abs. 5 StVO beachten müssen. Komme es zu einem Unfall mit einem überholenden Fahrzeug, spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der nach links abbiegende Kraftfahrzeugführer die ihm nach § 9 Abs. 1 und 5 StVO obliegenden, besonders gesteigerten Sorgfaltspflichten verletzt habe. Diesen gegen den Kläger sprechenden Anscheinsbeweis habe der Kläger nicht zu widerlegen vermocht. Spätestens bei der zweiten Rückschau hätte er das Beklagtenfahrzeug wahrnehmen und auf die Einleitung des Abbiegevorgangs verzichten müssen.

Dies gelte umso mehr, als nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts bewiesen sei, dass sowohl Blaulicht als auch Martinshorn als Dauersignal vor dem Unfall eingeschaltet gewesen seien. Dementsprechend hätten die anderen Verkehrsteilnehmer das Gebot nach § 38 Abs. 1 S. 2 StVO, freie Bahn zu schaffen, sofort befolgen müssen. Der Kläger sei auch für seine Behauptung, sich nach links eingeordnet und nach links geblinkt zu haben, beweisfällig geblieben.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine Klageanträge weiter verfolgt: Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus:

Das LG habe übersehen, dass der Beklagte zu 1) unter Verstoß gegen § 5 Abs. 2 StVO die Fahrzeuge auf der rechten Fahrbahn links überholt habe und dass es sich bei der Kollision mit dem Fahrzeug des Klägers um eine solche gehandelt habe, die mit einer Kollision mit einem Fahrzeug des Gegenverkehrs vergleichbar sei.

Die Feststellung des LG, es sei bewiesen, dass sowohl Blaulicht als auch Martinshorn als Dauersignal eingeschaltet gewesen seien, entspreche nicht dem Inhalt des Protokolls. Drei neutrale Zeugen hätten bestätigt, dass das Martinshorn erst unmittelbar vor der Kollision eingeschaltet gewesen sei.

Das LG habe sich auch nicht mit dem Beweisangebot des Klägers auseinandergesetzt, ein Sachverständigengutachten zur Auswertung des Fahrtenschreiberblattes einzuholen. Die Auslesung des Fahrtenschreibers werde bestätigen, dass das Fahrzeug der Beklagten mindestens 50 m auf der Gegenfahrbahn gefahren sei, ohne das Signalhorn einzuschalten und dass dieses erst im Kollisionszeitpunkt eingeschaltet worden sei.

II. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Nach § ...

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