Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf von Verbraucherkreditvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Abrechnung eines wirksam widerrufenen Verbraucherkreditvertrages.

2. Die Rechte aus einem Darlehensvertrag und auch das Widerrufsrecht können durch Vereinbarung der Vertragsparteien auf nur einen Darlehensnehmer übertragen werden (hier: Schuldhaftentlassung des anderen Darlehensnehmers).

3. Der Darlehensnehmer eines durch Grundpfandrecht gesicherten Kredits kann Herausgabe von Nutzungswertersatz in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangen (vgl. BGH Urteil vom 12.07.2016 - XI ZR 564/15).

4. Der Nutzungswertersatzanspruch des Darlehensnehmers kann gegenüber Ansprüchen der Bank nicht aufgerechnet werden, soweit die Bank hierauf Kapitalertragsteuer (zzgl. Solidaritätszuschlag) an das Finanzamt abzuführen hat.

5. Der Darlehensnehmer schuldet der Bank Herausgabe von Wertersatz in Höhe des vereinbarten Zinssatzes, es sei denn der Darlehensnehmer weist einen niedrigeren Marktzins nach. Die Bank kommt durch die Weigerung, den Widerruf anzuerkennen, jedenfalls dann nicht in Annahmeverzug, wenn der Darlehensnehmer keine konkrete Restschuldzahlung anbietet. Der Anspruch auf Nutzungswertersatz in Höhe des Vertragszinses besteht in diesem Falle über den Zeitpunkt der Widerrufserklärung hinaus bis zur Rückzahlung der Darlehensvaluta fort.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 09.11.2015; Aktenzeichen 38 O 106/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 09.11.2015 verkündete Urteil der Zivilkammer 38 des LG Berlin - 38 O 106/15 - teilweise abgeändert und hinsichtlich der Ziffer 2 des Urteilstenors neu gefasst:

Auf die Hilfswiderklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 88.136,01 EUR und weitere 27.246,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4,29 % seit dem 01.09.2016 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgewähr der zu Gunsten der Beklagten im Grundbuch des AG F.Bezirk ..., Blatt ..., in Abteilung III unter lfd. Nr. 1 eingetragenen Grundschuld in Höhe von 271.000,00 EUR.

Die weiter gehende Hilfswiderklage wird abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung der Beklagten und die weiter gehende Anschlussberufung der Klägerin werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 24 % und die Beklagte 76 % zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 36 % und die Beklagte 64 % zu tragen.

Das Urteil des LG und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 09.11.2015 verkündete Urteil der Zivilkammer 38 des LG Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:

1. Zu Unrecht habe das LG angenommen, dass die Klägerin ihr Widerrufsrecht - ohne Mitwirkung des weiteren Darlehensnehmers - hätte ausüben können. Für einen ordnungsgemäßen Widerruf hätte es der Erklärung beider Darlehensnehmer bedurft. Das Widerrufsrecht als Gestaltungsrecht sei nicht teilbar. Dem könne nicht entgegen gehalten werden, dass angeblich in § 355 Abs. 1 BGB a.F. "jedem einzelnen" Verbraucher ein Widerrufsrecht zustehe. Dies lassen sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch dem Sinn und Zweck entnehmen. Auch überzeuge nicht das Argument, dass bei mehreren Darlehensnehmern jedem der Schutz der Vorschriften über das Verbraucherkreditwiderrufsrecht zukommen müsse. Vorliegend führe die Ansicht des LG zu einem absurden Ergebnis, weil dies auch zum Fortfall der Schuldhaftentlassung des Mitdarlehensnehmers führen würde.

2. Entgegen der Ansicht des LG seien die Darlehensverträge nicht wirksam widerrufen worden. Die Beklagte könne sich auf die Schutzwirkung von § 14 Abs. 1 BGB- InfoV berufen, da die Musterbelehrung ohne eigene inhaltliche Bearbeitung übernommen worden sei. Die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 BGB- InfoV entfalle nur bei solchen Abweichungen vom Muster der Anlage 2, die sich konkret zum Nachteil des Verbrauchers auswirken oder die das Verständnis der Belehrung erschweren würden. Das Fehlen der Zwischenüberschrift "Widerrufsrecht" berühre nicht die Ordnungsgemäßheit der Widerrufsbelehrung.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 11.02.2016, dort Seite 10 ff (Bd. II, Bl. 21 ff) verwiesen.

3. Zu Unrecht habe das LG eine Verwirkung der Widerrufsrechte verneint. Rechtsfehlerhaft nehme das LG an, dass die Beklagte per se nicht schutzwürdig sei, weil sie den Widerruf dadurch verursacht habe, dass sie keine ordnungsgemäße Widerr...

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