Leitsatz (amtlich)

1. Zur Übertragung von Rechten an 1975/1976 in der damaligen UdSSR von „Sojusmultfilm” produzierten Trickfilmen.

2. Mit dem Import dieser Filme als Video-Kassetten durch Sojusmultfilm an ein inländisches Unternehmen im Wege der Veräußerung kann eine Erschöpfung i.S.d. § 17 Abs. 2 UrhG eingetreten sein, und zwar ungeachtet eines regionalen Gebietsschutzes und der Besonderheiten aus dem Beitritt der neuen Bundesländer (einschl. Berlin-Ost).

 

Normenkette

UrhG § 17 Abs. 2, § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 15.11.2001; Aktenzeichen 16 O 544/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.12.2003; Aktenzeichen X ZR 282/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 15.11.2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 16 des LG Berlin – 16 O 544/01 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die einstweilige Verfügung des LG Berlin vom 2.10.2001 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

 

Gründe

A. Die Antragsgegnerin betreibt ein Handelsgeschäft. Sie verbreitete die Folgen 7 bis 12 aus der Trickfilmserie „H.” als VHS-Kassette in der russischen Originalfassung u.a. durch Lieferung an ein in B. ansässiges Unternehmen. Auf der VHS-Kassette befindet sich die Episode Nr. 10 mit dem Titel „H. … B.”. Dieser Film wurde von der Sojusmultfilm im Jahre 1975/1976 in der UdSSR produziert. Die Bearbeitung erfolgte im Jahre 1977 durch DEFA-Synchron.

Die Antragstellerin behauptet, ihr seien ausschließliche Lizenzrechte zur Videoproduktion und -verbreitung für die neuen Bundesländer und Berlin-Ost eingeräumt worden, und zwar durch eine Lizenzerteilung der Sovexportfilm 1974/1977/1986 an den damaligen VEB DEFA Außenhandel (nachfolgend: Außenhandel), einer Lizenzierung 1974/1977/1987 des „Außenhandel” an den „P. Filmverleih” (nachfolgend: P.), eine Rechteübertragung des „Außenhandel” und „P.” (beide nunmehr als GmbH) 1993/1994 an die Treuhandanstalt und von dieser auf die Antragstellerin. Die „P.” habe nachfolgend eine ausschließliche Lizenz von der Antragstellerin erhalten.

Das LG hat der Antragsgegnerin antragsgemäß durch einstweilige Verfügung vom 2.10.2001 untersagt, die genannte Folge Nr. 10 in den neuen Bundesländern einschließlich Berlin-Ost zu verbreiten, anzubieten und/oder anbieten zu lassen oder auf andere Weise zu verwerten oder verwerten zu lassen.

Die Antragsgegnerin macht eine Erschöpfung der Rechte der Antragstellerin gem. § 17 Abs. 2 UrhG geltend.

B. Die Berufung der Antragsgegnerin ist begründet.

I. Auch soweit die Antragstellerin nunmehr nur noch die Verbreitung der Folge Nr. 10 untersagt wissen will, ist der Unterlassungsantrag schon zu weit gefasst. Denn es besteht allenfalls eine Wiederholungsgefahr für die Verwertung des Films als Videokassette, nicht aber eine Verwertung in sonstiger Form.

II. Unabhängig davon steht aber dem Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG insgesamt eine Erschöpfung gem. § 17 Abs. 2 UrhG entgegen.

1. Zu Recht ist das LG i.E. allerdings davon ausgegangen, die Antragstellerin sei Inhaberin eines ausschließlichen Nutzungsrechts am streitgegenständlichen Film geworden.

a) Zutreffend hat das LG als glaubhaft gemacht angesehen, dass Sovexportfilm berechtigt war, dem „Außenhandel” ausschließliche Nutzungsrechte auch zur Verbreitung als Video-Kassette einzuräumen (vgl. auch BGH ZUM 2001, 989 [999] – Lepo Sumera, zur Urheberrechtsübertragung an Musikwerken aus vormals sozialistischen Ländern). Dem tritt die Antragsgegnerin auch nicht mehr näher entgegen.

b) Ebenso kann – mit dem LG – von einer Weiterübertragung an P. ausgegangen werden. Auch hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin nicht mehr.

c) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist auch eine weitere Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte zur Verbreitung von Video-Kassetten (in den neuen Bundesländern einschl. Berlin-Ost) an die Antragstellerin glaubhaft gemacht.

aa) Trotz der Übertragung an „P.” hatte der „Außenhandel” seine Stellung als Lizenznehmer von Sovexportfilm und Lizenzgeber an die „P.” behalten. „P.” sollte 1974/1977/1987 erkennbar nicht an die Stelle des „Außenhandel” treten.

bb) Mit Vertrag vom 28./30.3.1994 (AST 22) wurden „sämtliche Rechte” des Außenhandel auf die Treuhandanstalt übertragen (Präambel). Gemäß § 1 Ziff. 2 des Vertrages sollten auch „sämtliche Rechte aus Lizenzverträgen, die sie” (der Außenhandel) „mit Dritten im Rahmen der Filmverwertungsmaßnahmen abgeschlossen hat”, abgetreten werden. Der hier streitgegenständliche Film ist dem „Außenhandel” von Sovexportfilm im Rahmen der gegenseitigen Verwertung ihnen beiderseits übertragener Exportermächtigungen übertragen worden, gleichsam in einer Art Kompensation. Damit hat die Treuhand – anstelle des „Außenhandel” – dessen Rechte übernommen.

cc) Eine Übertragung der vom „Außenhandel” der „P.” eingeräumten ausschließlichen Nutzungsrechte an die Treuhandanstalt ist allerdings zweifelhaft. Der Vertrag zwischen „P.” und Treuhandanstalt vom 19....

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